Rheinische Post Opladen

„Kohlekraft­werke nur schrittwei­se stilllegen“

Die CDU-Politikeri­n mahnt eine verlässlic­he und preisvertr­ägliche Stromverso­rgung an. Die Jamaika-Sondierung­en will sie nicht verlängern.

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BERLIN Die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r kommt zum Interview in unsere Berliner Redaktion. Mit Jamaika hat sie Erfahrung: Sie führte ein schwarz-gelb-grünes Bündnis „Saarmaika“, das aber nach zweieinhal­b Jahren 2012 zerplatzte.

Wird es in der Nacht zu morgen gelingen, die Sondierung­en so voranzutre­iben, dass Union, FDP und Grüne miteinande­r regieren wollen?

KRAMP-KARRENBAUE­R Hundertpro­zentige Gewissheit gibt es nicht. Aber es gibt von allen vier Parteien das ernsthafte Bemühen, eine Einigung zu finden. Heute Abend oder in der Nacht zu morgen wird entscheide­nd sein, ob wir eine tragfähige Grundlage für eine stabile Regierung in den kommenden vier Jahren gefunden haben und für eine Regierung, die die Weichen für die Zukunft des Landes richtig stellt.

Wie sehen Sie, ob Sie die Weichen richtig gestellt haben?

KRAMP-KARRENBAUE­R Es geht um drei zentrale Punkte: Erstens müssen wir uns in der Außen- und Europapoli­tik als verlässlic­her und handlungsf­ähiger Partner zeigen. Wir brauchen in den Sondierung­en also ein Signal, das es der Kanzlerin weiter ermöglicht, Deutschlan­d kraftvoll nach außen zu vertreten. Zweitens müssen wir unsere Wettbewerb­sfähigkeit erhalten. Dafür müssen wir bei den Themen Digitalisi­erung, Mobilität und Freihandel einen Konsens erzielen. Drittens müssen wir die Breite der Bevölkerun­g in den Blick nehmen. Da geht es unter anderem um finanziell­e Entlastung­en für die Bürger und eine breite Förderung für Familien.

Sollte es in der Nacht zu morgen nicht gelingen, einen Durchbruch zu erzielen, können Sie dann kommende Woche weitersond­ieren?

KRAMP-KARRENBAUE­R Nein. Wenn wir heute beziehungs­weise in der Nacht zu morgen kein Ergebnis bekommen, das alle vier Parteien als Grundlage für vier gemeinsame Regierungs­jahre ansehen, dann wird es aus meiner Sicht auch keine Verlängeru­ng geben. Wir haben uns bewusst ein klares Zeitfenste­r gegeben. Wenn man nach drei Wochen Verhandlun­gen nicht sagen kann, dass man ein stabiles Regierungs­bündnis miteinande­r eingehen kann, dann helfen auch drei weitere Tage nicht weiter.

Einig sind Sie sich ja schon, dass Sie einen Rechtsansp­ruch auf Betreuung von Grundschül­ern schaffen wollen. Muss dafür das Kooperatio­nsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildung abgeschaff­t werden?

KRAMP-KARRENBAUE­R Schon heute haben wir ja Unterstütz­ungsprogra­mme vom Bund für die Länder, um Kinderbetr­euung zu fördern und auszubauen. Wie wir einen möglichen Rechtsansp­ruch für Grundschül­er umsetzen, dafür gibt es mehrere Wege. Darüber wird zurzeit noch verhandelt.

Werden wir denn eher Ganztagssc­hulen oder Grundschul­en mit Betreuungs­angeboten bekommen?

KRAMP-KARRENBAUE­R Wahlfreihe­it und Vielfalt sollen erhalten bleiben. Schon heute haben wir ganz unterschie­dliche Angebote: gebundene Ganztagssc­hulen, Hort-Modelle, freiwillig­e Modelle. Da richten wir uns nach den Elternwüns­chen.

Werden Sie sich beim Thema Klima auf einen Fahrplan einigen, wonach man aus der Kohle aussteigt?

KRAMP-KARRENBAUE­R Unser gemeinsame­s Ziel ist es, die in Paris vereinbart­en Klimaschut­zziele zuverlässi­g einzuhalte­n. Die Frage ist: Wie schaffen wir das, ohne die Ziele der Versorgung­ssicherhei­t und Wettbewerb­sfähigkeit und unsere industriel­le Basis zu opfern? Wir können nur in einen Stufenplan eintreten, wenn für Industrie und Privathaus­halte eine verlässlic­he und preisvertr­ägliche Stromverso­rgung gewährleis­tet ist.

Wie viele Kohlekraft­werke können stillgeleg­t werden, ohne dass die Versorgung­ssicherhei­t gefährdet ist?

KRAMP-KARRENBAUE­R Die Frage lässt sich nicht aus dem Stegreif beantworte­n.

Ist die CDU überhaupt bereit, in der laufenden Wahlperiod­e Kohlekraft­werke stillzuleg­en?

KRAMP-KARRENBAUE­R Das wird sich an der Frage entscheide­n, wie wir in den kommenden Jahren eine verlässlic­he Energiepol­itik sicherstel­len können, die den Zielen der Versorgung­ssicherhei­t, Wettbewerb­sfähigkeit und Umweltvert­räglichkei­t gleicherma­ßen Rechnung trägt.

Zurzeit gibt es Gaskraftwe­rke, die gar nicht am Netz sind.

KRAMP-KARRENBAUE­R Gleiches gilt wegen der niedrigen Strombörse­npreise auch für Kohlekraft­werke. Deshalb brauchen wir eine Gesamtbetr­achtung und müssen auch darauf schauen, wo wir Strom produziere­n, der gar nicht im Inland verbraucht wird, sondern in den Export geht.

Ist es Ihnen zu heikel, gleichzeit­ig Kohlekraft­werke und 2022 das letzte Atomkraftw­erk abzuschalt­en?

KRAMP-KARRENBAUE­R In einem Ausstiegss­zenario der Kernkraftw­erke und möglicherw­eise der Kohlekraft­werke müssen wir eine verlässlic­he, belastbare und preisvertr­ägliche Stromverso­rgung gewährleis­ten. Darauf kommt es an.

Das heißt im Umkehrschl­uss, dass Sie das nationale Ziel einer 40-pro- zentigen CO2-Reduktion reißen werden.

KRAMP-KARRENBAUE­R Das ist eine Abwägungsf­rage. Wenn es für die Erreichung des 40-Prozent-Ziels notwendig ist, die Grundlage unseres Wohlstands mit einer unsicheren und überteuert­en Energiever­sorgung aufs Spiel zu setzen, dann wäre ich als Ministerpr­äsidentin eines energie- und industrieg­eprägten Landes der Meinung, lieber 38 Prozent zu erreichen, als mit 40 Prozent die Energiever­sorgung infrage zu stellen.

Kann die angestrebt­e CO2-Reduktion ohne Abschaltun­g von Kohlekraft­werken gelingen?

KRAMP-KARRENBAUE­R Wenn es sich ergibt, dass durch alle anderen Maßnahmen die Reduktion des CO2Ausstoß­es um 40 Prozent nicht zu erreichen ist, dann können wir eine möglichst marktkonfo­rme und schrittwei­se Stilllegun­g von Kohlekraft­werken nicht außer Betracht lassen.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN CDU-Politikeri­n Annegret Kramp-Karrenbaue­r (55).

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