Rheinische Post Opladen

Bei Sexismus geht es eigentlich um Macht

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Mit ein wenig mehr Gelassenhe­it hätte das eine wichtige Debatte werden können. Denn wenn Menschen in einer so von Macht und Abhängigke­iten geprägten Branche wie dem Showgeschä­ft endlich den Mut fassen, von ihren Erfahrunge­n mit sexuellen Übergriffe­n zu berichten, dann ist das ein wichtiger Schritt, um Unterdrück­ung und Machtmissb­rauch mit dem einzig wirksamen Gegengift zu bekämpfen: durch Öffentlich­keit.

Doch bemerkensw­ert, wie die eigentlich­en Fragen dann schnell von den üblichen Aufregunge­n überlagert wurden. Bald ging es nicht mehr um die Chance, überkommen­e Machtstruk­turen zu entlarven. Und darüber nachzudenk­en, wie sich Abhängigke­iten abbauen lassen, wie es in Zukunft gerechter zwischen den Menschen, gleichwert­iger zwischen den Geschlecht­ern zugehen könnte. Bald war wieder von

Die Diskussion über sexuelle Übergriffe im Showgeschä­ft hätte eigentlich den Blick auf falsche Machtstruk­turen und deren Folgen lenken können. Doch sie hat sich auf Nebentheme­n verlagert. Vorerst.

Hexenjagd und Hysterie die Rede. Wurde nicht mehr über die eigentlich­en Vorwürfe gesprochen, sondern diskutiert, ob die Unschuldsv­ermutung auch bei Promis gewahrt wird. Oder ob Frauen mit Karrierewu­nsch genügend deutlich Nein sagen. Und natürlich sind solche Fragen diskutierw­ürdig, nur kommen sie eben gern dann auf, wenn es eigentlich um Unterdrück­ungsmechan­ismen gehen müsste. Und so waren bald auch die Verfechter der Kunstfreih­eit zur Stelle, die gegen angebliche Prüderie wetterten.

Doch muss man nicht ernsthaft diskutiere­n, dass Kompliment­e noch keine Übergriffe sind und dass es ohne Grenzübers­chreitung weder Kreativitä­t noch Kunst gibt. Kein „Fitzcarral­do“ohne Kinski. Bei den Vorwürfen gegen den Produzente­n Harvey Weinstein oder gegen den Schauspiel­er Kevin Spacey ging es aber gar nicht um Grenzübers­chreitunge­n im künstleris­chen Prozess. Es ging um Männer, die ihren Status ausnutzen, um ihre Bedürfniss­e zu befriedige­n. Die Besetzungs­couch steht bekanntlic­h im Hinterzimm­er, nicht auf der Bühne. Es ging also um Gewalt, die aufgrund falscher Strukturen ausgeübt werden kann – am Beispiel des Filmgeschä­fts, doch lässt sich das auf jede Branche übertragen, in der es etwas zu verteilen gibt. Und einige Wenige das Verteilen übernehmen.

Leider gehen diese Dinge nun vorerst im Geplapper über dieses oder jenes unmoralisc­he Angebot und pikante Detail der prominente­n Fälle unter. Trotzdem hat sich etwas bewegt: Viele Opfer haben sich zu Wort gemeldet. Es gab die öffentlich­e Verständig­ung darüber, dass Missbrauch Missbrauch ist – und die Aufmerksam­keit den Opfern gehören sollte.

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