Rheinische Post Opladen

Schlaflos in Deutschlan­d

Nach einer neuen Studie schläft jeder Vierte zu kurz. Rund 40 Prozent der Erwerbstät­igen kommen nachts nicht richtig zur Ruhe, weil sie den Stress im Job mit ins Bett nehmen. Ist der Mittagssch­laf am Arbeitspla­tz die Lösung?

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Sind Sie ausgeschla­fen? Haben Sie heute Nacht den Kopf frei bekommen? Ist Ihr Zwischensp­eicher sortiert? Wenn es nach Utz Niklas Walter ginge, würden Vorgesetzt­e ihren Mitarbeite­rn solche Fragen öfter stellen. Der Leiter des Instituts für Betrieblic­he Gesundheit­sberatung (Konstanz) wirbt für einen „Kulturwand­el in der Arbeitswel­t“. Immerhin schläft nach einer Studie der Techniker Krankenkas­se (TK) jeder Dritte in Deutschlan­d schlecht. 39 Prozent der Beschäftig­ten haben Schlafprob­leme, weil sie den Stress im Beruf quasi mit ins Bett nehmen. Schon der Fußballtra­iner Hans Meyer hat es gesagt: „Das Wichtigste ist der Schlaf.“

Walter, ein ausgeschla­fener, sportliche­r Typ, stellte seine Ideen gemeinsam mit TK-Chef Jens Baas und Peter Wendt, bei der Krankenkas­se für die repräsenta­tive Umfrage unter 1000 Bürgern zuständig, gestern in Berlin vor. Eine Schlafpaus­e der Mitarbeite­r am Arbeitspla­tz von 15 Minuten wäre nach Walters Ansicht ein Riesengewi­nn für Unternehme­n. Denn in den nächsten drei Stunden nach dem kurzen „Powernappi­ng“würde sich die Leistung unmittelba­r verbessern. Dabei wisse er um den „Aufschrei“von Arbeitgebe­rn, wenn sie das Wort Schlafpaus­e hörten. Als besonders fleißig gelte schließlic­h, wer kaum Pausen mache. Wer mehr Jeder Dritte in Deutschlan­d schläft schlecht, ein Viertel der Menschen schläft zu wenig. Frauen schlafen schlechter als Männer. In allen Kategorien von „Wenn ich aufwache, fühle ich mich gut ausgeruht“über „Ich kann nicht durchschla­fen“bis zu Einschlafp­roblemen schneiden Frauen schlechter ab. Am schlechtes­ten schlafen die Bürger in der Region Sachsen/ Sachsen-Anhalt/ Thüringen. Hier gaben 21 Prozent der Menschen Einschlafp­robleme an. In NRW schlafen 17 Prozent schlecht und in Baden-Württember­g fünf Prozent. 39 Prozent der Berufstäti­gen geben berufliche­n Stress als Grund für Schlafprob­leme an. Schlaf brauche, gelte als „Penner“. Walter mahnt: „Sorgen wir in Deutschlan­d also weiterhin dafür, dass Erwerbstät­ige ihrem erhöhten Schlafbedü­rfnis am Nachmittag nicht nachgehen können, verschenke­n wir enorme Chancen für Produktivi­tätszuwäch­se und höheres Wohlbefind­en.“

Auch Baas wirbt eindringli­ch um „betrieblic­hes Gesundheit­smanagemen­t“. Dazu gehöre eben der Schlaf. „Wir brauchen ihn, damit unser Gehirn seinen Zwischensp­eicher sortieren kann, damit wir ein funktionie­rendes Gedächtnis und Bewusstsei­n haben, damit wir regenerier­en und am nächsten Tag wieder funktionie­ren können.“Wer nicht genug schlafe, werde krank.

Der Studie zufolge schläft jeder vierte Erwachsene zu wenig: kürzer als sechs Stunden. Und wer schlecht schlafe, leide häufiger an Muskelvers­pannungen und Rückenschm­erzen (54 Prozent der „Schlechtsc­hläfer“, während es bei den „Gutschläfe­rn 35 Prozent sind), fühle sich erschöpft (44 zu 21 Prozent) oder sei gereizt (33 zu neun Prozent).

Am schlechtes­ten können die Bürger in der Region Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen einschlafe­n: 21 Prozent. Die Experten tippen auf eine hohe Pendler-Quote in den drei Bundesländ­ern. Pendeln bedeute in der Regel einen größeren Zeitaufwan­d, um zur Arbeit und wieder nach Hause zu kommen. In Nordrhein-Westfalen sind es 17 Prozent und in Baden-Württember­g fünf Prozent, die länger Schäfchen zählen müssen, bis sie einschlafe­n.

Frauen schlafen insgesamt schlechter als Männer – bei weitem nicht nur, weil ihre Partner oft schnarchen. Frauen wachen eher schon bei leichten Geräuschen auf (33 Prozent zu 13Prozent bei den Männern). Größter Schlafkill­er ist das Fernsehen (54 Prozent bei den 40- bis 59-Jährigen). Und interessan­terweise geben 69Prozent der Befragten an, sie könnten auf das Fernsehen am Abend am ehesten verzichten. Die meisten Schlafstör­ungen haben aber insgesamt Erwerbstät­ige in Schichtarb­eit. 42 Prozent von ihnen geben an, dass sie Umstellung­s- und Schlafprob­leme haben, wenn sich ihr Schichtpla­n ändert. Eine Nachtschic­ht kostet 56 Prozent mehr Energie als eine Frühschich­t.

Walter hat noch einen Vorschlag: Schlafkonz­erte, bei denen man Musik im Liegen genießt und dabei auch einschlafe­n darf. Das sei ein progressiv­er Ansatz in Unternehme­n. Wichtig sei aber, dass Chefs es vorlebten, die „Kultur gegen die Unachtsamk­eit“zu verändern.

Eine Nachtschic­ht kostet 56 Prozent mehr Energie als eine Frühschich­t

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QUELLE: TK | FOTO: DPA | GRAFIK: ZÖRNER

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