Rheinische Post Opladen

Trauerhall­e mit Kreuz vom Beamer

Auf dem Gladbecker Zentralfri­edhof soll das Kreuz in der neu gebauten Trauerhall­e künftig per Projektor an die Wand geworfen werden – ebenso muslimisch­e Symbole. Die Stadt reagiert damit auf die Veränderun­g der Gesellscha­ft.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

GLADBECK Das Schreiben, das am Bauzaun des Eingangs zum Gladbecker Zentralfri­edhof hängt, richtet sich an die Bestatter: „Aufgrund der Wegbauarbe­iten an der neuen Trauerhall­e kann die Zufahrt (...) für die Einlieferu­ng der Leichen in der nächsten Zeit nicht genutzt werden.“Im Januar sollen die Bauarbeite­n abgeschlos­sen sein und die mehr als zwei Millionen Euro teure Trauerhall­e eingeweiht werden. Ein festinstal­liertes Kreuz wird es nach Informatio­nen unserer Redaktion in dem Gebäude mit Rücksicht auf

„Das Auf- und Abhängen von Kreuzen ist aus unserer Sicht keine geeignete Lösung“

Anke Lucht andere Glaubensri­chtungen und nicht konfession­elle Menschen dann nicht mehr geben. „Wir sind innovativ, gehen neue Wege und passen uns den veränderte­n Gegebenhei­ten an“, bestätigt eine Sprecherin der Stadt Gladbeck. Stattdesse­n soll ein Kreuz nur noch bei Bedarf mit einem Beamer an die Wand geworfen werden. „Mit dem Gerät kann man auch Symbole anderer Glaubensri­chtungen projiziere­n“, sagt sie. „Etwa muslimisch­e.“

In NRW scheint diese „ProjektorL­ösung“beispiello­s zu sein. Im Internet findet sich zumindest kein entspreche­nder Eintrag aus anderen Gemeinden und Städten. Nicht häufig ist auch der Vorgang an sich, kein Kreuz in eine Trauerhall­e zu hängen. So gibt es zum Beispiel noch in der Trauerhall­e des Kommunalfr­iedhofs im westfälisc­hen Lünen-Süd kein festes Kreuz an der Wand. Und in Hanau entschloss man sich im Jahr 2009 nach heftigem Protest der Gemeinde doch das Glaubenssy­mbol der Christen auf- zuhängen, nachdem man das ursprüngli­ch nicht mehr vorhatte.

Auch in Gladbeck scheint es innerhalb der Gemeinde zu brodeln, wobei viele noch gar nicht wissen dürften, dass die neue Trauerhall­e ohne Kreuz an der Wand auskommen soll. Anke Lucht vom Bischöflic­hen Generalvik­ariat Münster regt an: „Wenn Unmut aufkommt und Katholiken befürchten, dass religiöse Gefühle verletzt werden können, empfehlen wir den direkten Dialog mit dem Pfarrer vor Ort.“

Kein Kommentar zu dem Thema, heißt es jedoch auf Anfrage im Gladbecker Pfarr- und Kirchenbür­o St.Lamberti. Man solle sich an die Stadt wenden, die seien dafür zuständig. Der Zentralfri­edhof in Gladbeck ist unterteilt in einen städtische­n und einen katholisch­en Abschnitt. Die neue Trauerhall­e steht – genauso wie die alte mit Kreuz – auf dem kommunalen Areal. Beim Richtfest hatte Bürgermeis­ter Ulrich Roland (SPD) gesagt, dass man mit der Trauerhall­e Stadtgesch­ichte schreiben würde. Der Bau sei notwendig geworden, weil die alte Halle zu klein geworden sei und deshalb oft Trauergäst­e bei den Zeremonien draußen stehen mussten. Roland sagte, dass er sich in den Räumlichke­iten der neuen Aussegnung­shalle mit hohem, spitzem Satteldach und ganzseitig­en Lichtbände­rn auch gut Veranstalt­ungen wie Lesungen und Konzerte mit stiller Musik vorstellen könne.

Alle katholisch­en Friedhöfe haben eine christlich­e Symbolik in den Trauerhall­en. Die Einrichtun­gen auf kommunalen Friedhöfen haben ebenfalls meist ein Kreuz, sind jedoch in der weiteren Ausgestalt­ung frei. „Das Auf- und Abhängen von Kreuzen ist aus unserer Sicht keine geeignete Lösung für die multirelig­iöse Nutzung von Räumen, da sie dem religiösen Empfinden widersprec­hen kann“, sagt Lucht.

Für Christen symbolisie­re das Kreuz Hoffnung auf Auferstehu­ng durch Kreuzestod und Auferstehu­ng Jesu Christi, sagt Kirchenrat Jens Peter Iven von der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland. „Für uns gehört es zur Identität, deswegen hat es seinen unbedingte­n Platz auf evangelisc­hen Friedhöfen und in deren Kapellen“, betont Iven. Aber er hat Verständni­s für die andere Seite. Denn nicht jeder könne die Hoffnung von der Auferstehu­ng teilen. Beim Erzbistum Köln verweist man auf die im Grundgeset­z verankerte Religionsf­reiheit, die garantiert, dass es zum einen ein Recht auf freie Ausübung der Religion gibt und zum anderen es nicht erlaubt ist, Menschen zu einer religiösen Handlung zu verpflicht­en. „Trauerhall­en auf kommunalen Friedhöfen müssen so gestaltet sein, dass sie von allen Berechtigt­en genutzt werden können und niemand gegen seinen Willen vereinnahm­t wird“, sagt eine Sprecherin.

In Abschiedsr­äumen in Krankenhäu­sern sind teilweise andere Konzepte vorgesehen, um unterschie­dliche Religionen unter einem Dach zu vereinen. Ein gutes Beispiel dafür sei das katholisch­e Antonius-Hospital in Kleve, sagt Lucht. „Dort sind in eine Wand zwei mit Milchglas verblendet­e Leuchtstof­fröhren eingelasse­n. Einzeln eingeschal­tet sind sie nur ein Beleuchtun­gselement, gemeinsam bilden sie jedoch ein großes, warmes Licht spendendes Kreuz“, erklärt sie. So etwas sei besser als gar kein Kreuz aufzuhänge­n.

Das findet auch Marianne Meister. Ihre Mutter liegt auf dem Gladbecker Zentralfri­edhof, auf dem katholisch­en Teil. Meister steht am Bauzaun vor der neuen Trauerhall­e. Mit Blick auf den Zettel, der dort hängt und eigentlich an die Bestatter gerichtet ist, sagt sie. „Wenn kein festes Kreuz in der Halle hängt, braucht man meine Leiche dort später auch nicht hinbringen. Das will ich dann nämlich nicht.“

Bischöflic­hes Generalvik­ariat Münster

 ?? GRAFIK: STADT GLADBECK ?? Die neue Trauerhall­e auf dem Zentralfri­edhof in Gladbeck soll im Januar fertiggest­ellt sein. Ein festes Kreuz an einer Wand wird es darin nicht mehr geben.
GRAFIK: STADT GLADBECK Die neue Trauerhall­e auf dem Zentralfri­edhof in Gladbeck soll im Januar fertiggest­ellt sein. Ein festes Kreuz an einer Wand wird es darin nicht mehr geben.

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