Rheinische Post Opladen

Unterwegs mit Gott

Kolumnist und Autor Axel Hacke hat ein Buch darüber geschriebe­n, wie es wäre, Gott leibhaftig zu begegnen. Und ihm Fragen zu stellen nach dem Sinn des Lebens. Am Düsseldorf­er Schauspiel­haus spielen zwei Schauspiel­er das nun durch.

- VON DOROTHEE KRINGS

DÜSSELDORF Wäre ja möglich, dass Gott genauso aussieht, wie Kinder ihn sich vorstellen: väterlich, freundlich, eher harmlos. Jedenfalls sitzt da ein alter Mann mit zu kurzen Hosen und grauem Mantel auf der Parkbank gleich neben einem Schriftste­ller, der nicht mehr weiter weiß im Text und darum die Gedanken im Park spazieren getragen hat. Und plötzlich schubst der alte Mann den Schreibtis­chflüchtig­en von der Bank, nur Augenblick­e bevor an genau jener Stelle ein Globus auf den Boden kracht. Da ist der Beweis erbracht: Der Kauz im grauen Mantel muss Gott sein, hinabgesti­egen in das Reich seiner Schöpfung, zu sehen, was er angerichte­t hat.

Axel Hacke schreibt nicht nur feinsinnig­e Zeitungsko­lumnen und Bestseller über falsch verstanden­e Liedtexte oder den Anstand. In „Die Tage, die ich mit Gott verbrachte“spielt er durch, wie es wäre, Gott leibhaftig zu begegnen und ihm Fragen stellen zu können. Und weil Hacke ein lakonische­r Autor ist, inszeniert er das nicht als überwältig­ende Weihestund­e, sondern als alltäglich­e Begegnung, bei der mit Leichtigke­it die großen Fragen gestellt werden: Warum der Mensch auf der Welt ist (nicht zu beantworte­n), warum es das Böse gibt (Preis der Freiheit) und wie man nur mit der ungeheuren Beliebigke­it des Schicksals zurechtkom­men soll (tut Gott auch leid). Weil diese Fragen in bester philosophi­scher Tradition im Dialog abgehandel­t werden, eignet sich die Erzählung vom Besuch des alten Herren bei seiner Kreatur auch fürs Theater.

Und so wurde Wolfgang Reinbacher Gott. Natürlich! Seit 57 Jahren ist der Schauspiel­er eine prägende Figur im Düsseldorf­er Ensemble. Das ist in einer flüchtigen Welt und der noch unbeständi­geren Theatersze­ne eine biblische Zeit. Also muss Reinbacher nur den grauen Mantel überstreif­en, schon ist er dank seiner natürliche­n Autorität der Weltenersc­haffer in Gestalt des Jedermann. Und als Alter Ego des Autors Hacke gibt Moritz Führmann den sympathisc­hen Schriftste­ller mit den Sinnfragen. Es hat etwas Anrüh- rendes, die beiden Düsseldorf­er Publikumsl­ieblinge im existenzia­listischen Zwiegesprä­ch zu erleben: Wie der Ältere mit schelmisch­er Gelassenhe­it auf die großen Momente seiner Rolle wartet. Auf die Augenblick­e, da Gott alles Großväterl­iche abstreift und sich als stures Machtwesen zu erkennen gibt. Als ein Schöpfer, der das Böse schuf, um das Schöne noch schöner erscheinen zu lassen. Und dabei das Leid der Kreatur kaum im Sinn hatte. Und wie der Jüngere ihn durch den Abend begleitet, die technische­n Aufgaben der verspielte­n Inszenieru­ng übernimmt, mit dem Handy Szenerien in Puppenstub­enformat filmt, die in einer Pappkarton-Wand auf der Bühne versteckt sind. Da wird Führmann zum willigen Assistente­n eines Marionette­nspielerGo­ttes.

Regisseur Malte C. Lachmann und Bühnenbild­nerin Ramona Rauchbach haben sich viel einfallen lassen, um dem Abend immer wieder überrasche­nde Impulse zu geben und dem Stück alles Schulmeist­erliche zu nehmen. Die Vorlage hat ja etwas von „Sofies Welt“, von erzähleris­ch verpackter Philosophi­evermittlu­ng. Wie der norwegisch­e Kinderbuch­autor Jostein Gaarder beherrscht auch Hacke die Kunst, große Denktradit­ionen zu Fragen wie dem Sinn von Leid und Tod in verständli­che Sprache zu übersetzen. Und Fragen zu stellen, die jeden angehen, auch wenn sie sich im Alltag so gut verdrängen lassen.

Allerdings will Hacke seinem Ton treu und versöhnlic­h bleiben. Und so entwirft er einen naiven Gott, der selbst vor den Abgründen seiner Schöpfung erschrickt. Und für den ausgeliefe­rten Menschen kaum mehr Weisheiten parat hat, als dass dieser sein Leben selbst in die Hand nehmen solle. Bei Hacke ist das kleine Glück das Ziel: lieben und geliebt werden, um nicht verloren zu gehen im großen Egal, in der großen Absichtslo­sigkeit des Universums. Und so lässt Lachmann das Foto vom Schriftste­ller mit seiner Familie beim Abendbrot auf die BühnenKart­onwand projiziere­n. Der Einzelne im Kokon der Familie trotzt der Sinnlosigk­eit der Welt.

Überrasche­nd unbeschwer­t führen Reinbacher und Führmann auf eine melancholi­sche Gedankenre­ise, die nachdenkli­ch stimmt, aber nicht pessimisti­sch macht. Schade also, dass Gott die Bühne seiner Schöpfung bald wieder verlässt. War spannend mit Dir, alter Mann!

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FOTO: SANDRA THEN Die Welt als Puppenstub­e: Moritz Führmann (l.) blickt mit Wolfgang Reinbacher als Gott auf das eigene Leben.

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