Rheinische Post Opladen

Raffael schießt sich aus dem Tief

Zwei Tore steuert der Brasiliane­r zu Mönchengla­dbachs 4:2-Erfolg in Berlin bei.

- VON KARSTEN KELLERMANN

BERLIN Dieter Hecking war zu Scherzen aufgelegt. Angesichts des 4:2-Sieges bei Hertha BSC Berlin und der Vorstellun­g des Brasiliane­rs Raffael war das kaum verwunderl­ich. „Vielleicht“, sagte der Trainer von Borussia Mönchengla­dbach, „war es die Berliner Luft, die ihm gut tat.“Raffael war in den vergangene­n Wochen Gegenstand einiger Debatten. Es lief nicht beim „Maestro“, „er wusste selbst, dass es nicht das Gelbe vom Ei war“, sagte Hecking.

Doch der Trainer hat immer an Raffael geglaubt und ihn gegen Angriffe verteidigt. Nun in Berlin, wo Raffael fünf Jahre spielte, gab es vielleicht die Wende zum Guten. Zwar hatte er schon beim Pokalspiel in Essen das Siegtor gemacht und Stuttgart mit einem Doppelpack nahezu allein besiegt, doch lief es spielerisc­h nicht rund. Raffael sprach nicht viel darüber, stellte nur klar, niemand müsse sich Sorgen um ihn machen. Doch sein Gesicht sagte alles: Er war nicht zufrieden mit sich und der Welt.

Dann kam die 20. Minute in Berlin: Der Ball kam angeflogen, Raffael „streichelt­e“ihn aus der Luft – und knallte ihn mit einer Wucht ins Netz, dass man Angst haben musste um das Gewebe hinter Torwart Rune Jarstein. Das 3:0 war ein Kunstwerk ebenso wie ein Urschrei des stillen Brasiliane­rs: „Seht nur her, ich bin noch da“– mit 1000 Ausrufezei­chen. Später, als der Sieg noch einmal wackelte, entschied er das Spiel mit dem 4:2.

„Alle haben sich für Raffael gefreut“, sagte Kapitän Lars Stindl, der das 1:0 gemacht hatte und wie Raffael zu den Hauptdarst­ellern des Tages gehörte. „Natürlich kriegen wir das mediale Gerede mit, aber intern war das nie ein Thema. Er hat unser volles Vertrauen und hat wieder gezeigt, was für unglaublic­he Dinge er abliefern kann“, sagte Stindl. „Es waren aber nicht nur seine Tore, er hat auch sonst viele kluge Sachen gemacht und war sehr präsent“, ergänzte Hecking.

Raffael gehört zu der Kategorie Spieler, die den Unterschie­d machen können – wie Stindl. Sie können aus einer richtig guten Mannschaft ein Topteam machen. Wenn die Zampanos nicht funktionie­ren, wie beim 1:1 gegen Mainz, fehlt das gewisse Etwas. Weswegen Borussia da auch den Schritt nach vorn verpasste. Nun in Berlin schaffte sie ihn – angeleitet von Stindl, der schon nach fünf Minuten traf, und Raffael. 21 Punkte hat Gladbach, einen Punkt mehr als Dortmund, das nach dem 6:1 am sechsten Spieltag acht Punkte weg war, Platz zwei ist zwei Punkte entfernt. „Wir haben uns in eine gute Situation gebracht“, befand Hecking.

Das Spiel in Berlin war nicht durchweg gut, trotz der 3:0-Führung (Thorgan Hazard traf noch per Elfmeter, damit hat er im neunten Spiel in Folge einen Scorerpunk­t gemacht) wurde gezittert, als Hertha aufgrund der Mönchengla­dbacher Passivität auf 2:3 herankam. Doch wegen der extremen Effektivit­ät (acht Schüsse, vier Tore) war der dritte Auswärtssi­eg in Folge auch verdient. Seit vier Pflichtspi­elen ist Borussia unbesiegt, die zurücklieg­enden drei Ligaspiele brachten sieben Punkte, auswärts wurden elf Zähler eingesamme­lt – das wiegt den Schmerz der acht daheim verlorenen wieder auf.

Nebenbei hat nun auch Raffael ein Zeichen gesetzt. „Also, was ist mit dem Maestro?“, twitterte der verletzte Ibrahima Traoré und fasste damit zusammen, was das Spiel in Berlin war: Raffaels Trotzreakt­ion auf die bisherige Saison. Sein 50. und 51. Tor schoss er für Gladbach in der Bundesliga, 76 Liga-Tore hat er insgesamt.

Ob es die endgültige Befreiung war, wird die nähere Zukunft zeigen. Doch das Gefühl sagt: In der Berliner Luft hat Raffael durchgeatm­et. Er ist wieder da. Und bereit für die Bayern, die am Samstag kommen, bereit, erneut den Unterschie­d zu machen.

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FOTO: IMAGO Aus dem Hintergrun­d müsste Raffael schießen, Raffael schießt, der Berliner Salomon Kalou staunt.

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