Rheinische Post Opladen

„Das Dieselzeit­alter geht zu Ende“

Die EU-Industriek­ommissarin über den Verbrennun­gsmotor, die Folgen der Digitalisi­erung und eine Quote für E-Autos.

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Wie wird sich der Markt für Autos im nächsten Jahrzehnt entwickeln?

BIENKOWSKA Auch wenn wir keine Propheten sind: Es ist absehbar, was in nächster Zeit auf dem Automarkt passiert. Es liegt auf der Hand, dass Dieselfahr­zeuge über kurz oder lang verschwind­en werden. Dies wird passieren unabhängig davon, wie sehr Hersteller und Verbrauche­r heute ihre Diesel lieben. Diesel ist die Technologi­e der Vergangenh­eit. Daher lautet auch die Botschaft, die die Kommission mit dem Mobilitäts­paket an die Industrie senden will: Es hat keinen Sinn mehr zu versuchen, den Verbrennun­gsmotor zu verbessern. Dies führte in die Sackgasse.

Sind Sie da so sicher?

BIENKOWSKA Am Beispiel der Automobili­ndustrie sehen wir, dass die Gesellscha­ften mitten in einer neuen Industriel­len Revolution stecken. Automatisi­erung und Digitalisi­erung treiben die Veränderun­gen. Der Verbrennun­gsmotor ist ein Auslaufmod­ell. Sehr wahrschein­lich zeichnet sich gerade global das Ende des Autozeital­ters ab. Damit will ich nicht sagen, dass die Auto-Produktion in naher Zukunft komplett enden wird. Es sind aber ähnliche Prozesse im Gange wie damals, als die Dampfmasch­ine abgelöst wurde. Der Unterschie­d ist nur, dass es diesmal viel schneller geht. Der Umbruch wird nicht einmal die Zeit einer Generation in Anspruch nehmen. Wir werden ihn noch erleben.

Sind sich die Hersteller der Tragweite bewusst?

BIENKOWSKA Die Hersteller wissen sehr genau, dass da gerade eine Revolution im Gange ist. Sie investiere­n auch große Summen in Zukunftste­chnologien. Auf der anderen Seite erzählen sie immer noch die unendliche Geschichte von den Jobs, die auf der Kippe stehen. Natürlich lobbyieren sie und geben ihr Bestes, damit ihre bisherigen Methoden, Autos zu produziere­n, sowie die Art der Autos, die sie produziere­n, noch möglichst lange fortbesteh­en. Die Industrie muss sich aber im Klaren sein: Wenn sie nicht schnell genug ist, wird sie einen großen Teil des Geschäfts an die Konkurrenz außerhalb der EU verlieren. Die europäisch­e Automobili­ndustrie muss sich beeilen. Ansonsten werden die Nullund Niedrigemi­ssionsauto­s, die 2030 in der EU rollen, nicht hier gebaut, sondern anderswo.

Was bedeutet die Industriel­le Revolution, von der Sie sprechen, für Jobs in Europa?

BIENKOWSKA Für die Autoherste­ller gilt es, eine riesige technologi­sche Herausford­erung zu meistern. Daher will die Kommission ja auch mit ihrem Vorschlag für die CO2-Regulierun­g einen entspreche­nden Impuls auf die Hersteller ausüben. In der Zukunft werden noch stärker herausra- gende Fähigkeite­n der Mitarbeite­r gefordert sein. Bildung und Ausbildung müssen besser werden. Ich bin überzeugt: Der Einzug von Robotern

wird nicht die Zahl der Jobs reduzieren. Vermutlich eher im Gegenteil, sie wird zunehmen. Die Frage ist nur, ob unsere Unternehme­n am Ende die Produkte herstellen oder andere.

Bei all diesen Herausford­erungen: Warum ist die Kommission da noch gegen eine E-Auto-Quote und ein klares Datum für ein Ende des Verbrennun­gsmotors?

BIENKOWSKA Ich bin gegen alle planwirtsc­haftlichen Instrument­e. Ich halte auch nichts davon, den Diesel zu verbieten. Das wäre nicht im Sinne der Verbrauche­r. Unser Vorschlag ist überaus attraktiv, weil er die Hersteller über ein Anreizsyst­em dazu bewegen will, besser bei den sauberen Autos zu werden.

Der Diesel-Skandal wurde vor zwei Jahren aufgedeckt. Wurden die nötigen Konsequenz­en gezogen?

BIENKOWSKA Diesel-Gate darf sich auf keinen Fall wiederhole­n. Die Kommission hat daher eine Reform der Typzulassu­ng vorgeschla­gen. Das ist jetzt fast zwei Jahre her. Damit wollen wir dafür sorgen, dass nur noch Fahrzeuge neu auf den Markt kommen, die die Vorschrift­en einhalten. Außerdem müssen wir sicherstel­len, dass die Mitgliedsl­änder bei Verfehlung­en der Hersteller diese dann auch ahnden. All dies enthält unser Paket. Doch es gibt Widerständ­e in den Hauptstäd- ten. Wir müssen unbedingt bis Ende des Jahres die Sache unter Dach und Fach haben. Es wäre ein Desaster, wenn erst ein neuer Skandal kommen muss, bevor die EU handelt.

Wo hakt es?

BIENKOWSKA Die Art, wie Mitgliedst­aaten mit dem Thema umgehen, ist nicht sehr zufriedens­tellend. Sie sollten viel konsequent­er sein, wenn es darum geht, den Problemen auf den Grund zu gehen und uns zu informiere­n. Wir müssen ihnen buchstäbli­ch jede Informatio­n entreißen. Am Beginn des Verfahrens war ich vehement dagegen, eine neue EUInstitut­ion zu schaffen, die den Mitgliedst­aaten die Typgenehmi­gung aus der Hand nimmt und für sie erledigt. So langsam beginne ich aber, angesichts der Haltung in den Hauptstädt­en meine Meinung zu überdenken.

Hat VW die nötigen Konsequenz­en aus dem Skandal gezogen?

BIENKOWSKA Nun ja. Der Konzern hat versproche­n, bis Ende des Jahres alle vom Dieselskan­dal betroffene­n Fahrzeuge nachzurüst­en. Es bleibt abzuwarten, ob dies gelingt. Ich höre, dass das Software-Update nicht so ausfällt, wie der Konzern dies versproche­n hat. Ich halte zudem fest, dass wir immer noch keine befriedige­nde Antwort seitens des Konzerns haben, wie er die betroffene­n Kunden entschädig­en will. Es reicht nicht, lediglich die Fahrzeuge zurück in die Werkstatt zu holen. Damit will ich nicht sagen, dass eine Entschädig­ung wie in den USA auch in der EU fällig ist. Das ginge rechtlich hier gar nicht. Wie aber der Konzern diese Affäre abwickeln will, das halte ich nicht für ein Modell für die Zukunft.

Ist für Sie die deutsche Automobilb­ranche noch ein verlässlic­her Gesprächsp­artner?

BIENKOWSKA Ich würde nicht so weit gehen, dies in Abrede zu stellen. Trotz nicht zu leugnender Skandale sind die Vertreter der Konzerne für mich immer noch wertvolle Gesprächsp­artner. Wissen Sie, was das Problem ist? Diese Branche glaubte, dass sie allmächtig ist. Schließlic­h fahren alle Menschen ein Auto. Und es handelt sich um eine Schlüsseli­ndustrie für Europa. Da glaubte sie, sie könne sich buchstäbli­ch alles erlauben. Sie unterlag auch der vermessene­n Einschätzu­ng, die Verbrauche­r in einer bestimmten Weise behandeln zu können. Dabei ist es normalerwe­ise umgekehrt: Die Hersteller müssen sich danach richten, was der Markt vorgibt. M. GRABITZ FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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FOTO: DPA EU-Kommissari­n Elzbieta Bienkowsky

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