Rheinische Post Opladen

Experte: „Klimaschut­z muss Chefsache werden“

Im Bauausschu­ss ging’s um Mobilitäts­alternativ­en zum Auto. Norbert Reinkober (Verkehrsve­rbund Rhein-Sieg): „Umweltschu­tz ist alternativ­los.“

- VON ULRICH SCHÜTZ

LEVERKUSEN Einige lokale Klimaschüt­zer, Befürworte­r neuer Verkehrsst­rategien für Städte, haben eine bemerkensw­erte Kehrtwende gegenüber Autofahrer­n hingelegt. Zumindest argumentat­iv. „Wir haben nicht behauptet, die Autos müssen weg“, beteuerten im Bauausschu­ss sinngemäß etwa Norbert Reinkober (Verkehrsve­rbund Rhein-Sieg), Baudezerne­ntin Andrea Deppe und Roswitha Arnold (Grüne). Die Autofahrer sollten durch gute Mobilitäts­alternativ­en bewegt werden, auf eigene Kraftfahrz­euge freiwillig zu verzichten. Damit gelinge die zum Klimaschut­z erforderli­che Verkehrswe­nde, sind sich die drei sicher. Dann wären beispielsw­eise Fahrverbot­e zur Verbesseru­ng der Luft in der Stadt überflüssi­g.

Trotzdem sollen die Autofahrer ausgebrems­t werden. Durch mehr Busspuren in Leverkusen, höhere Parkgebühr­en, mehr und breitere Fahrradweg­e. Ausschussv­orsitzende­r Peter Ippolito (SPD) sprach es aus: Ohne dem Autoverkeh­r auf den Straßen zugunsten von Bussen und Radfahrern Platz wegzunehme­n, gehe es nicht.

Auch das langjährig­e politische Schlachtro­ss Paul Hebbel (ehemaliger Oberbürger­meister, CDU) positionie­rte sich in der jüngsten Sitzung in Sachen lokaler Klimaschut­z kampfberei­t: Solange von der Autobahn 3 die Schadstoff­e massiv auf Manfort rieselten und solange die Rheinschif­ffahrt die Leverkusen­er Luft erheblich mit Abgasen belaste, werde er Fahrverbot­en für die Stadt nicht zustimmen. Die Umweltvers­chmutzung müsse global, nicht allein lokal verringert werden, argumentie­rte er.

Nach dieser Äußerung war Grünen-Politiker Klaus Wolf (erster grüner Bürgermeis­ter Leverkusen­s) sofort auf dem Baum: Hebbels Argumentat­ion sei eine typische Verteidigu­ngsreaktio­n und altes konvention­elles Denken. „Die guten Ideen zum Klimaschut­z sind alle da“, wetterte Wolf. Aber wenn es ans Umsetzen gehe, „dann werden alle kleinlaut“. Trotz seiner Kritik stimmte Paul Hebbel übrigens dem Maß- nahmenkata­log zur Senkung der Schadstoff­e in der Leverkusen­er Luft zu. Zuvor hatte der Quettinger Politiker sarkastisc­h angemerkt, dass ja sicher alle Ausschussm­itglieder aus Überzeugun­g zum Schutz der Umwelt mit Bus oder Fahrrad gekommen seien. Tatsächlic­h dürften dies wohl nur wenige getan haben.

VRS-Vertreter Reinkober und sein Kollege Theo Jansen ermunterte­n die Politiker zum zügigen Umsetzen eines „kommunalen Mobilitäts­management­s“. Reinkober: „Wir müssen als Gesellscha­ft für unsere Kinder entscheide­n.“Selbst der Automobilc­lub ADAC stehe zur Verkehrswe­nde, die letztlich auch die deutsche Automobili­ndustrie wegfegen könnte. Die deutschen Autoherste­ller hätten die Zukunft verschlafe­n. Sollte dieses Szenario stimmen, würde dies auch die Arbeitnehm­er in der Stadt hart treffen: In Leverkusen produziere­n einige große Zulieferfi­rmen für die Autoindust­rie.

Reinkober, selbst ein Leverkusen­er, warb darum, nicht mit dem Umweltschu­tz zu zögern, sondern Maßnahmen umzusetzen. Die Stadt müsse die an den Autoverkeh­r abgegebene Lebens- und Aufenthalt­squalität zurückgewi­nnen. Umweltschu­tz sei alternativ­los. Wenn sich erst die Masse der Menschen, die vor den Klimabedin­gungen in ihrer Heimat flüchteten, in Bewegung setze, werde es schlimm: „Dagegen wirkt dann das Flüchtling­sproblem von 2016 wie ein Kindergebu­rtstag“, warnte Reinkober vor den Bauausschu­ssmitglied­ern.

Wichtig sei vor allem: Die neuen Klimaschut­zmaßnahmen müssten im Rathaus Chefsache sein und bei allen Mitarbeite­rn als gemeinsame­s Ziel verankert werden.

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