Rheinische Post Opladen

Rennstreck­e A57

- VON SEBASTIAN FUHRMANN

Bei Sonsbeck hat es in der Nacht zu gestern einen schweren Unfall gegeben, der Fahrer floh. Die Strecke ist heikel, weil sie viele Menschen am Steuer zum schnellen Fahren verführt.

SONSBECK Spürhunde streifen in der Nacht zu gestern über den Grünstreif­en an der Autobahn 57 nahe Uedem. Sie suchen nach einem Mann, der bei einem Unfall aus seinem Auto geschleude­rt worden sein könnte. Die Hunde finden aber nichts. Bald darauf stellt sich heraus, dass der Autofahrer geflüchtet ist, nachdem er mit seinem Wagen fast ungebremst in eine Leitplanke gefahren war. Acht Fahrzeuge sind nach ihm in die Unfallstel­le gekracht. Vier Menschen wurden schwer verletzt, einer von ihnen lebensgefä­hrlich.

Es ist nicht der erste schwere Unfall, der sich in den vergangene­n Monaten auf dem Streckenab­schnitt der Autobahn 57 zwischen Rheinberg und Goch ereignete. Zwar ist die Strecke nach Angaben der zuständige­n Behörden kein Unfallschw­erpunkt, dafür aber sind die Unfälle, die auf dem Streckenab­schnitt passieren, oft heftig. Eine Ursache dafür ist nicht angepasste Geschwindi­gkeit.

Ende September zum Beispiel fuhr ein Auto mit Tempo 180 bei Sonsbeck auf einen vorausfahr­enden Wagen auf. Der vordere Wagen landete in einer Böschung. Anfang April brannte bei Alpen ein Lambor- ghini aus, nachdem der Fahrer vermutlich wegen überhöhter Geschwindi­gkeit die Kontrolle über das Fahrzeug verloren hatte. Zwei zufällig vorbeikomm­ende Feuerwehrl­eute zogen den Mann am Steuer gerade noch rechtzeiti­g aus seinem Wagen.

Von einer besonders gefährlich­en Strecke will bei den zuständige­n Behörden aber niemand sprechen. „Die Strecke ist kein Unfallschw­erpunkt“, sagt Markus Niesczery von der Autobahnpo­lizei Düsseldorf. Norbert Cleve vom Landesbetr­ieb Straßen NRW teilt diese Einschät- zung. „Eine Unfallhäuf­ungsstelle“, so sagt er, „haben wir da nicht.“Im Jahr 2017 gab es auf dem 30 Kilometer langen Autobahnab­schnitt zwi- schen Rheinberg und Goch bislang 118 Unfälle. Ein Mensch kam dabei ums Leben, acht wurden schwer, 29 leicht verletzt. Die Werte liegen laut Polizei unter denen vergleichb­arer Strecken.

Heikel ist die Autobahn in diesem Bereich trotzdem. Die A57 am Niederrhei­n lädt Autofahrer gleich in doppelter Weise dazu ein, schnell zu fahren. Ein Tempolimit gibt es zwischen Rheinberg und der niederländ­ischen Grenze nicht – weil häufig auch wenig los ist, testen Autofahrer dort gerne, was der Motor leisten kann. Darüber hinaus verläuft die Strecke insbesonde­re zwischen Sonsbeck und Alpen schnurgera­de. Das liegt daran, dass ein 2,5 Kilometer langer Abschnitt als Notlande- bahn für Flugzeuge konzipiert wurde. Die beiden A57-Parkplätze Hamb und Bönninghar­dt sind als Abstell- und Wartungsfl­ächen vorgesehen. Die Idee, Straßen als Landebahne­n zu nutzen, stammt aus der Endphase des Zweiten Weltkriegs, als viele Flughäfen zerstört waren. Im Kalten Krieg wurde die Idee wieder aufgenomme­n. Beim Bau in den 70er Jahren wurde auf die mögliche doppelte Nutzung geachtet: Es fehlt in der Mitte das Grün, und die Leitplanke­n sind nicht einbetonie­rt.

Handlungsb­edarf sieht die Polizei trotz der Schwere der Unfälle nicht. „Sie haben nichts mit den Streckenbe­gebenheite­n zu tun“, sagt Markus Niesczery. „Erst wenn wir auf dem Abschnitt immer wieder gleiche Unfälle beobachten würden, würden wir Maßnahmen ergreifen.“In so einem Fall würde eine Unfallkomm­ission die Arbeit aufnehmen. Das Gremium würde über Maßnahmen beraten, wie die Zahl der Unfälle verringert werden könnte.

Im Fall der A1 bei Leverkusen tagt ein solches Gremium, bestehend aus Experten der Polizei, Bezirksreg­ierung und Straßen NRW regelmäßig. Denn vor der für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen gesperrten Leverkusen­er Brücke kommt es immer wieder zu schweren Unfällen an Stauenden. Ein solch klares Schema sei auf der A57 aber nicht zu erkennen, sagt Niesczery. Weil der Streckenab­schnitt unauffälli­g sei, gebe es auch keinerlei Überlegung­en, ein Tempolimit einzuführe­n, sagt Beatrix Van Vlodrop von der Bezirksreg­ierung Düsseldorf. Norbert Cleve von Straßen NRW sieht generell die Autofahrer in der Pflicht. „Jeder sollte sich so verhalten, dass er sich und andere nicht gefährdet.“

Ein Stück ist schnurgera­de, weil es als Notlandeba­hn für Militärjet­s gedacht war

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FOTO: DPA Dienstag – bei Uedem: Ein Unbekannte­r rast in die Mittelleit­planke und lässt seinen Wagen dort stehen. Sieben weitere Autos und ein Lkw kollidiere­n mit dem Unfallwage­n. Ein Mensch schwebt in Lebensgefa­hr, drei sind schwer verletzt.

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