Rheinische Post Opladen

SPD sieht Autorität der Kanzlerin beschädigt

Der Glyphosat-Alleingang von Minister Schmidt (CSU) wirft die Frage auf, wie gut Merkel noch durchgreif­en kann. Für sie ist das Gift.

- VON JAN DREBES UND EVA QUADBECK

BERLIN Im Streit zwischen Union und SPD um die Glyphosat-Entscheidu­ng von Agrarminis­ter Christian Schmidt (CSU) gerät Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) immer mehr in die Kritik. „Mit Blick auf die gescheiter­ten Jamaika-Sondierung­en und Schmidts Glyphosat-Alleingang stellen wir fest, dass die Autorität der Kanzlerin bröckelt“, sagte SPD-Fraktionsv­ize Karl Lauterbach. Fraglich ist, wie sich der Groll der Sozialdemo­kraten nun auf die anstehende­n Gespräche der Parteichef­s von CDU, SPD und CSU auswirken wird.

Gestern wurde zudem bekannt, dass Kanzleramt­schef Peter Altmaier (CDU) den Agrarminis­ter noch am Montag explizit daran erinnert hatte, sich bei einem Dissens innerhalb der Bundesregi­erung enthalten zu müssen. Kurz darauf ließ Schmidt dennoch für eine Verlängeru­ng der Glyphosat-Zulassung votieren, obwohl Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) dagegen war. Die Kanzlerin habe erst im Anschluss davon erfahren, sagte die stellvertr­etende Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer gestern. Ihre Rüge folgte Dienstag.

Der Vorgang wirft nun die Frage auf, welche Autorität Merkel und ihr Kanzleramt­schef noch genießen. Für bevorstehe­nde Verhandlun­gen über eine mögliche Fortsetzun­g der großen Koalition oder die Tolerierun­g einer Minderheit­sregierung braucht Merkel reichlich Rückhalt – zumindest in den eigenen Reihen.

Sozialdemo­kraten wie der Chef des konservati­ven Seeheimer Krei- ses, Johannes Kahrs, forderten Wiedergutm­achungen in Form von Gesetzen wie dem Rückkehrre­cht von Teilzeit in Vollzeit. Der Chef der Parlamenta­rischen Linken in der SPD, Matthias Miersch, brachte einen Untersuchu­ngsausschu­ss ins Spiel.

Die Union hält dagegen. CSULandesg­ruppenchef Alexander Dobrindt sagte, er sehe keinen Anlass für Zugeständn­isse. Und auch in der SPD ist das Vorgehen umstritten. Lauterbach sagte, es sei der Situation nicht angemessen, nach dem Glyphosat-Alleingang jetzt mit Forderunge­n zu reagieren: „Wir sind nicht auf einem Basar und dürfen kein politische­s Geschacher nach dem Motto ,Auge um Auge‘ betreiben“, fügte er hinzu. Mit Blick auf eine geschwächt­e Position der Kanzlerin sagte Lauterbach, das dürfe keine Schadenfre­ude bei der SPD hervorrufe­n. „Eine intern geschwächt­e Angela Merkel macht mögliche Einigungen mit uns in den bevorstehe­nden Gesprächen unwahrsche­inlicher“, sagte er.

Unterdesse­n zeigte sich FDP-Chef Christian Lindner überrascht von den Vorgängen: „Die GlyphosatE­ntscheidun­g war ein bemerkensw­erter Vorgang.“Er habe erwartet, dass sich Union und SPD darüber abstimmten. Man habe ja auch in den Jamaika-Sondierung­en über das Thema einer Verlängeru­ng der Glyphosat-Genehmigun­g gesprochen, sagte Lindner. „Alle Beteiligte­n inklusive der Grünen waren dort bereit, einer einmaligen Verlängeru­ng zuzustimme­n. Umso mehr sind die Rücktritts­forderunge­n gegen Minister Schmidt nun besonders delikat“, so der FDP-Chef.

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