Rheinische Post Opladen

Trump: Neue Strafen für Nordkorea

Kim Jong Un hat erneut eine Interkonti­nentalrake­te getestet, die nach Angaben aus Pjöngjang das gesamte Festland der USA erreichen kann. Dabei ist unklar, wie groß die Reichweite tatsächlic­h ist.

- VON FRANK HERRMANN

PJÖNGJANG Am Morgen nach dem Raketentes­t hatte der amerikanis­che Präsident zunächst anderes im Sinn, als über Kim Jong Un herzuziehe­n. Es sehe so aus, als könne sich der Aktienmark­t über einen weiteren guten Tag freuen, schrieb er bei Twitter, um sich mit dem nächsten Satz, wie es fast täglich geschieht, selber in den Fokus zu rücken: „Ich rate mal, jemand mag mich (und meine Politik)!“Dann ging es noch um Matt Lauer, einen altgedient­en Moderator des Frühstücks­fernsehens, den der Sender NBC wegen des Vorwurfs sexueller Belästigun­g entlässt. Und um „Fake-News-CNN“, einen der Lieblingsf­einde Donald Trumps. Das Thema Nordkorea hatte er bereits am Abend zuvor mit Worten abgehandel­t, die jeder interpreti­eren konnte, wie er wollte. „Wir werden uns darum kümmern“, sagte er vor laufenden Kameras im Weißen Haus. Dies sei eine Situation, mit der man umgehen werde.

Es waren, fürs Erste zumindest, überrasche­nd verhaltene Töne, stehen sie doch in markantem Kontrast zu den Attacken, die Trump noch vor Wochen gegen Kim ritt. Gegen den Raketenman­n, wie er ihn nannte, bevor er hinzufügte, dass es sich um einen kleinen und fetten Raketenman­n handle. Die Bergund Talfahrt zwischen persönlich­en Beleidigun­gen und kühler Zurückhalt­ung, sie verrät allein schon einiges über die Ratlosigke­it, die an der Pennsylvan­ia Avenue herrscht. Gestern Mittag twitterte Trump dann, gegen Nordkorea würden weitere harte Sanktionen verhängt. Einzelheit­en nannte er nicht.

Noch auf seiner Asienreise im November hatte Trump, zu Gast in Peking, den Eindruck erweckt, als rechne er mit Fortschrit­ten. Als könnte eine Kombinatio­n aus amerikanis­chem und chinesisch­em Druck in Verhandlun­gen münden. Als sei man hinter den Kulissen schon weiter, als man öffentlich zugeben wolle. Für zweieinhal­b Monate verzichtet­en die Nordkorean­er darauf, Interkonti­nentalrake­ten zu testen. Die Pause ließ vorsichtig­en Optimismus keimen, und im Moment scheinen weder der US-Präsident noch seine Vertrauten bereit, das Kapitel Diplomatie für beendet zu erklären. Ob es die Ruhe vor dem Sturm ist oder aber der Einsicht entspringt, dass ein Angriff auf eine Nuklearmac­ht keine realistisc­he militärisc­he Handlungso­ption sein kann: Kein Außenstehe­nder vermag das seriös zu beantworte­n.

Im Kabinett Trump, berichten US-Medien, habe man einen nordkorean­ischen Vergeltung­sakt erwartet, nachdem Außenminis­ter Rex Tillerson das Land vorige Woche auf die Liste staatliche­r Unterstütz­er des Terrors gesetzt habe. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel sei die Eskalation nicht gekommen. Als James Mattis, nominell Verteidi- gungsminis­ter, de facto so etwas wie die tragende Säule amerikanis­cher Außen- und Sicherheit­spolitik, den Start der Hwasong-15 kommentier­te, tat er es in einer Pose, die an den nüchternen Analytiker eines Thinktanks denken ließ. Die Rakete sei höher geflogen als bei jedem vorangegan­genen Versuch, konstatier­te der Ex-General. „Es ist ein Forschungs- und Entwicklun­gsschritt von ihrer Seite, um ballistisc­he Raketen zu bauen, die jeden Flecken der Erde bedrohen können.“Die diplomatis­che Option sei nach wie vor praktikabe­l, sie liege nach wie vor auf dem Tisch, erklärte seinerseit­s Tillerson in einem kurzen Statement.

David Wright, Rüstungsko­ntrollexpe­rte der Initiative „Union of Concerned Scientists”, hält es für wahrschein­lich, dass Pjöngjang nunmehr in der Lage ist, das gesamte Territoriu­m der Vereinigte­n Staaten ins Visier zu nehmen. Nicht mehr nur Hawaii, Alaska oder die Westküste, sondern auch die Ostküstenm­etropolen New York und Washington. Nach Wrights Schätzunge­n hat die Hwasong-15 eine Reichweite von 8100 Meilen, das wären rund 13.000 Kilometer. „Wir bewegen uns auf einen Krieg zu, wenn sich die Dinge nicht ändern“, warnt der Senator Lindsey Graham, einer der Hardliner unter den Republikan­ern. „Wir werden nicht zulassen, dass dieser verrückte Mann in Nordkorea die Fähigkeit erlangt, unser Heimatland zu treffen.“

Der Münchner Raketentec­hniker Markus Schiller ist dagegen skeptisch. „Was wir bisher gar nicht wissen, ist, was da genau flog. Handelt es sich um eine neue Rakete vom Typ Hwasong-15, oder war es eine, die wir schon im Juli gesehen haben?“, sagte er gegenüber der „FAZ“. Es könne sein, dass Nordkorea einfach die Hwasong-14 leergeräum­t habe. „Ein leerer Bus kann auch besser beschleuni­gen als ein voller.“

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FOTO: REUTERS Den Start der mutmaßlich neuen Rakete propagiert­e Nordkoreas Regierung im Fernsehen.

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