Rheinische Post Opladen

US-Medienkonz­ern Meredith schluckt Verlagshau­s Time

Rund zwei Milliarden Dollar bezahlt der Konkurrent. Im Hintergrun­d helfen zwei einflussre­iche Geldgeber der Republikan­er.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Wenigstens einmal im Jahr gelingt es „Time“noch, an verflossen­e Größe anzuknüpfe­n. Kürt das Magazin die Person des Jahres, ist ihm ein weltweites Echo gewiss. Wird in diesem Dezember der Kopf des Jahres aufs Titelblatt gehoben, geschieht dies allerdings im Zeichen tiefer Verunsiche­rung.

Time Incorporat­ed, das New Yorker Medienhaus, das neben seinem publizisti­schen Flaggschif­f Titel wie „Fortune“, „People“und „Sports Illustrate­d“druckt, ist an einen Verlag im Präriestaa­t Iowa verkauft worden, dessen Spezialitä­t Lifestyle-Publikatio­nen sind. Bei der Meredith Corporatio­n erscheinen Zeitschrif- ten wie „Better Homes and Gardens“, „Family Circle“und „Family Fun“. Mit einem Nachrichte­nmagazin, wie „Time“eines ist, seit es der Magnat Henry Luce vor 94 Jahren gründete, hat man dort keine Erfahrung.

Ob es der Sargnagel für ein Traditions­blatt ist? Der Verlag steckt in Schwierigk­eiten, weil die Anzeigener­löse stetig sinken, die Leser ins Internet abwandern und man das digitale Zeitalter zunächst verpasste. Im ersten Quartal 2017 gingen die Einnahmen, verglichen mit dem gleichen Vorjahresz­eitraum, um neun Prozent zurück. Ob durch den Verkauf eine Renaissanc­e gelingt, wagt allerdings die Belegschaf­t selbst zu bezweifeln.

Das liegt maßgeblich an einem Investoren­paar, das im Hintergrun­d an dem Transfer beteiligt ist. Die Brüder Charles und David Koch, Besitzer eines der größten Firmenkong­lomerate der Welt, eines Imperiums, das von Papier über Pipelines, Raffinerie­n und Chemiebetr­iebe bis hin zur Rinderzuch­t reicht, stiegen mit 650 Millionen Dollar, einem Drittel der Kaufsumme, in das Geschäft ein. Es gibt nur wenige Industriel­le, die sich derart aktiv in die Politik einmischen wie die Koch-Brüder. 1980 kandidiert­e David, der Jüngere, als Bewerber der Libertären Partei fürs Weiße Haus. So kläglich der Versuch scheiterte, er bekam nur ein Prozent der Stimmen, so vehement legten sich die Kochs fortan ins Zeug, um für ihre Ziele zu trommeln. Als Barack Obama sein erstes Präsidents­chaftsvotu­m gewann, schrieb Charles in einem Rundbrief an seine 70.000 Beschäftig­ten, Amerika drohe mit dieser Wahl der größte Verlust von Freiheit und Wohlstand seit den 30er Jahren.

Nun haben die beiden Unternehme­r schon einmal ein Auge auf ein Verlagshau­s geworfen. 2013 ging es um die Tribune Company, unter deren Dach Tageszeitu­ngen wie die „Los Angeles Times“, die „Chicago Tribune“und die „Baltimore Sun“erschienen. Das Bruderpaar ließ Ambitionen erkennen, ehe sein Interesse wieder erlosch. Dass es sich mit der – bislang eher liberalen – „Time“ein Sprachrohr mit einem noch immer klangvolle­n Namen zulegen könnte, ungefähr das, was Fox News fürs Fernsehen ist, ruft die Skeptiker auf den Plan. „Ist es möglich, dass die Koch-Brüder aus dem Blatt ein Fox-Magazin machen?“, fragt Marvin Kalb, einst einer der renommiert­esten TV-Journalist­en der USA, heute Medienexpe­rte der Brookings Institutio­n. „Die Antwort ist ja, und diese Aussicht ist zweifellos eine verstörend­e.“

Donald Trump scheint der „Time“-Titel wichtig – er twitterte, die Redaktion habe ihm mitgeteilt, er würde „wahrschein­lich“wieder Person des Jahres wie 2016, wenn er ein Interview und ein Fotoshooti­ng zusage. „Wahrschein­lich“sei ihm nicht gut genug, er habe abgesagt.

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FOTO: DPA 2016 kürte „Time“Donald Trump zur Person des Jahres. Und 2017?

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