Rheinische Post Opladen

Mytaxi greift im Ruhrgebiet an

Anbieter wie Uber setzen die Taxi-Branche weltweit unter Druck – scheiterte­n bislang jedoch in Deutschlan­d. Dafür gibt es mit Mytaxi einen lokalen Angreifer – und der will nun das Ruhrgebiet erobern.

- VON FLORIAN RINKE

ESSEN Wer sich mit Taxi-Fahrern unterhält, erfährt viel über die Härten des Geschäfts. Über die zehn, zwölf Stunden, die es braucht, damit sich das Geschäft am Tag lohnt, über pöbelnde Fahrgäste, und manchmal erzählen sie auch, wie die Digitalisi­erung ihr Geschäft verändert. Da sagt ein Fahrer dann, dass er gar nicht mehr mit der örtlichen Taxi-Zentrale zusammenar­beite, weil die Fix-Gebühren so hoch seien, dass sich das nicht mehr lohne. Er nutze nur noch Mytaxi – denn da muss er nur nach jeder Fahrt eine Provision entrichten.

Michael Hoog kann über solche Beispiele nur den Kopf schütteln. Er versteht nicht, warum solche Fahrer nicht begreifen, dass sie sich langfristi­g selbst schaden. Denn die Gebühren, die an die Taxi-Zentralen entrichtet werden müssten, würden von den Taxi-Unternehme­rn selbst festgelegt. „Wenn es nur noch Mytaxi geben würde, würde die Plattform die Preise diktieren“, sagt der Geschäftsf­ührer des Taxi-Verbands NRW, der rund 30 Taxi-Zentralen mit knapp 8000 Fahrzeugen vertritt.

Doch diese Botschaft verfängt offenbar nicht – denn die Hamburger Plattform wächst immer weiter. Nun hat Mytaxi in Essen zusätzlich zu seinen Standorten in Düsseldorf und Köln ein weiteres Büro eröffnet. Drei Mitarbeite­r sollen hier für das Unternehme­n werben – und bei Problemen Ansprechpa­rtner sein. „Mit der Eröffnung eines neuen Standort-Büros wollen wir unseren aktiven Fahrern einen umfassende­n Service bieten“, sagt Alexander Mönch, General Manager von Mytaxi in Deutschlan­d.

Das Unternehme­n wurde 2009 gegründet und war die weltweit erste Taxi-App, die eine direkte Verbindung zwischen Fahrgästen und Taxifahrer­n herstellt. 2014 wurde das Start-up vom Autoherste­ller Daimler übernommen. Heute sind nach eigenen Angaben etwa 120.000 Fahrer auf der Plattform registrier­t. Mit einer Verfügbark­eit in knapp 70 europäisch­en Städten ist das Unternehme­n damit die führende TaxiApp in Europa.

Allein im Ruhrgebiet sollen knapp 2600 Taxis, und damit jedes Fünfte, angeschlos­sen sein. „Wer etwa in Essen ein Taxi über Mytaxi bestellt, wird in der Regel innerhalb von vier Minuten abgeholt“, heißt es.

Kampflos haben die örtlichen Taxi-Zentralen dem Neuling das Feld nicht überlassen. Im Mai bestätigte das Oberlandes­gericht Düsseldorf eine einstweili­ge Verfügung gegen eine Taxi-Zentrale aus Essen. Diese darf den angeschlos­senen Taxi-Unternehme­rn nicht länger untersagen, auch mit Mytaxi zu kooperiere­n. „Seither haben wir unseren Fokus auf das Ruhrgebiet verstärkt“, sagt ein Sprecher.

Und auch andernorts reagieren die Taxi-Zentralen. Natürlich sei Mytaxi eine Konkurrenz für die Taxi-Zentralen, räumt VerbandsGe­schäftsfüh­rer Hoog ein: „Aber die haben längst reagiert. Die Taxi-Zentralen sind heute hochdigita­lisiert.“ Funk gebe es nicht mehr, der Datenausta­usch laufe digital. „Und alle großen Zentralen haben inzwischen eine eigene App.“Dass der digitale Konkurrent nun Büros eröffne, quittiert er mit Sarkasmus: „Das, was Mytaxi als Standort-Büro bezeichnet, gibt es seit etwa 100 Jahren. Es nennt sich Taxi-Zentrale.“

Doch Hoog kritisiert, dass der Wettbewerb nicht fair sei: „Mytaxi arbeitet seit Jahren vermutlich defizitär und dürfte vom Mutterkonz­ern finanziell unterstütz­t werden.“Wenn Taxi-Zentralen so arbeiten würden, gäbe es sie längst nicht mehr. Außerdem übernehme das Unternehme­n keine Verantwort­ung. „Wer kontrollie­rt bei Mytaxi, wie sich die Fahrer benehmen?“, fragt der Geschäftsf­ührer: „Die einzige Kontrollmö­glichkeit von Mytaxi sind die App-Bewertunge­n.“

Ökonomen wie Justus Haucap, der frühere Chef der Monopolkom­mission, loben den Dienst trotzdem: „Mytaxi ist für die Taxi-Fahrer eine zusätzlich­e Option – und das ist gut. Denn vielerorts gab es bislang ja die Abhängigke­it von einer TaxiZentra­le“, sagt der Düsseldorf­er Ökonom. Dass Mytaxi irgendwann den gesamten Markt dominiere und die Preise diktiere, glaubt er nicht: „Mytaxi ist zwar aktuell Marktführe­r, aber dank neuer Herausford­erer wie Uber Taxi ist der Markt ständig in Bewegung.“

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MYTAXi FOTO: Die Plattform Mytaxi wurde 2009 gegründet.

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