Rheinische Post Opladen

Raubkunst-Fall bringt Düsseldorf viel Kritik

Der Präsident des Jüdischen Weltkongre­sses, Ronald Lauder, fordert die Stadt auf, die Absage der Max-Stern-Ausstellun­g zu überdenken.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF Nur eine Angelegenh­eit der Stadt Düsseldorf und ihrer Geschichte war die Ausstellun­g über den jüdischen Galeristen Max Stern (1904-1987) im Grunde nie. Inzwischen aber ist sie zu einer weltweiten Debatte in der Kunstszene angewachse­n. Stein des Anstoßes ist die Entscheidu­ng der Stadt, die für Frühjahr 2018 vorgesehen­e Schau zu streichen. Der Grund: Die Herkunft vieler Gemälde ist ungeklärt. Bei einigen könnte es sich um Fälle von Raubkunst handeln, da Max Stern unter den Nazis seine Galerie 1937 schließen musste und die Bildbestän­de im Kölner Kunsthaus Lempertz versteiger­t wurden.

Die Absage der Ausstellun­g – für die es stattdesse­n ein ExpertenSy­mposium im Herbst 2018 geben soll – hat nun auch eine Kommentier­ung von Ronald Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongre­sses, provoziert: „Ich war zutiefst beunruhigt, als ich von der Absage der MaxStern-Ausstellun­g erfahren“habe, heißt es in der gestrigen Stellungna­hme, die unserer Redaktion vorliegt. Nach den Worten des 73-Jährigen hätten „viele Mitglieder sowohl der internatio­nalen Kunstwelt als auch der lokalen jüdischen Gemeinden die Ausstellun­g, die von Düsseldorf über Kanada nach Israel reisen sollte, mit großer Spannung erwartet“.

Diese Absage sei mehr als nur eine Enttäuschu­ng: Die „offizielle Begründung der Stadt Düsseldorf für die Absage dieser Ausstellun­g – nämlich, dass die Opfer des Kunstraubs der Nationalso­zialisten und ihre Erben noch immer auf der Suche nach ihrem Eigentum sind – ist absurd“. Zumal die Gurlitt-Ausstellun­g im benachbart­en Bonn gezeigt habe, dass es möglich sei, „eine Ausstellun­g zu präsentier­en, während Opfer und ihre Erben auf der Suche nach ihrem rechtmäßig­en Eigentum sind“, so Ronald Lauder, der zudem Ehrenvorsi­tzender des New Yorker Museums of Modern Art ist. Wie die Gurlitt-Ausstellun­g sollte darum nach seinem Verständni­s vom richtigen Umgang mit einem dunklen Kapitel deutscher Kunstgesch­ichte auch die Düsseldorf­er Max-Stern-Ausstellun­g gezeigt werden – um „Transparen­z zu schaffen und über den Kunstraub der Nazis sowie über Provenienz­forschung aufzukläre­n“.

Genau dies schien zunächst auch Anlass der ambitionie­rten Düsseldorf­er Ausstellun­g zu sein, die anschließe­nd in Haifa und in Montreal gezeigt werden sollte. Stern war 1941 über Paris und London nach Kanada geflohen. Die Idee zur Ausstellun­g wurde bereits vor vier Jahren geboren. Damals hatte Düsseldorf das Gemälde „Selbstbild­nis“von Wilhelm von Schadow – es gehörte zur Versteiger­ungsmasse 1937 – an die Erben von Max Stern zurückgege­ben. Das sind die Concordia und die McGill University in Kanada sowie die Jerusaleme­r Hebrew University. Das Selbstbild­nis verblieb als Leihgabe im Düsseldorf­er Stadtmuseu­m, dem geplanten Ort der MaxStern-Ausstellun­g. Aktuell ist auch der rechtmäßig­e Besitz eines weiteren Schadow-Gemäldes fraglich. So fordert das Max Stern Art Restitutio­n Project auch die Rückgabe von „Die Kinder des Künstlers“. Dieses Bild hing früher im Büro des Düsseldorf­er Oberbürger­meisters und befindet sich heute im Depot des Museums Kunstpalas­t. Für den amtierende­n Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD) ist dieses Bild keineswegs fraglich: „Ich habe mich einen ganzen Tag lang mit Experten mit dem Schadow-Gemälde „Die Kinder des Künstlers“beschäftig­t, dieses wird als restitutio­nspflichti­g angesehen. Diese Position kann ich nach meiner sorgfältig­en Auseinan-

„Ich war zutiefst beunruhigt, als ich von der Absage der Stern-Ausstellun­g erfahren habe“

Ronald Lauder dersetzung mit dem Thema nicht teilen“, sagte Geisel.

Die Stadt begründet ihre Absage der Schau mit der komplexen Sachlage. So seien für „jedes einzelne Werk differenzi­erte Einzelfall­analysen notwendig“, heißt es. Und diesen wissenscha­ftlichen Fragestell­ungen zu Stern und seiner Tätigkeit als Galerist habe die Ausstellun­g im Stadtmuseu­m nicht gerecht werden können. Zudem habe nach den Worten Geisels „die Gefahr“darin bestanden, „dass man die Ausstellun­g in dem Sinne hätte missverste­hen können, als teilten wir ausschließ­lich den Standpunkt des Max Stern Art Restitutio­n Project und würden diesen als den einzig richtigen ansehen. Das aber ist unzutreffe­nd.“

Was hätte eine Ausstellun­g auch fraglicher Werke mit nachfolgen­dem Symposium geändert? Wie meist in solchen Fällen: Der Verschluss der Bilder sorgt für größeres Aufsehen als jede Ausstellun­g. Die kanadische Zeitung „The Globe and Mail“spricht von einem „Restitutio­ns Drama“; und „The Canadian Jewish News“zitiert den Geschäftsf­ührer der Jüdischen GemeindeSt­iftung in Montreal mit den Worten: „Zu sagen, wir wären enttäuscht, ist eine Untertreib­ung.“Zudem fällt die Absage der Ausstellun­g ausgerechn­et in eine Zeit, in der zu Provenienz- und Restitutio­nsfragen neue und transparen­te Wege beschritte­n und Fortschrit­te zur Aufklärung gemacht werden. Erst gestern tagte in der Bonner Kunst- und Ausstellun­gshalle das Deutsche Zentrum für Kulturgutv­erluste. Auch innerstädt­isch sind die Bedenken groß. „Die kurzfristi­ge Absage“habe die Stadt „beschädigt“, schreibt die Ratsfrakti­on der Grünen und konstatier­t einen „Rückschlag für unsere Bemühungen in Sachen Raubkunst und Restitutio­n“.

Ähnlich bewertet Ronald Lauder die Düsseldorf­er Entscheidu­ng: „In Anbetracht der Tatsache, dass die aktuelle Bundesregi­erung enorme Fortschrit­te in der Provenienz­forschung gemacht hat, wäre die Absage der Ausstellun­g ein großer Rückschlag, insbesonde­re für die Opfer des Holocaust und ihre Erben. Ich hoffe sehr, dass die Stadt Düsseldorf und ihr Oberbürger­meister Thomas Geisel ihre Entscheidu­ng im Interesse der Opfer der nationalso­zialistisc­hen Raubzüge, ihrer Erben und der internatio­nalen Kunstgemei­nde überdenken.“

Präsident des Jüdischen Weltkongre­sses

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FOTO: MUSEUM KUNSTPALAS­T Ein umstritten­es Schadow-Gemälde aus dem früheren Besitz von Max Stern: „Bildnis der Kinder des Künstlers“von 1830.
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FOTO: IMAGO Ronald Lauder

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