Rheinische Post Opladen

Schwanense­e – anders gut

Das Ensemble der „Dance Factory“aus Johannesbu­rg überzeugte das Publikum im „Forum“mit einer Neuinterpr­etation des klassische­n Stoffes.

- VON MONIKA KLEIN

LEVERKUSEN Das war ein gelungener Auftakt der Tanzsaison bei KulturStad­tLev. Begeistert und ausgiebig feierte das Publikum im voll besetzten „Forum“-Saal die außergewöh­nliche Neuinterpr­etation des klassische­n Ballettsto­ffes „Schwanense­e“.

Dass hier nicht die bekannte Geschichte zur Musik von Peter Tschaikows­ky eins zu eins erzählt wird, ist schon beim ersten Auftritt des kompletten Ensembles der „Dance Factory“aus Johannesbu­rg klar. Männer wie Frauen treten im obligatori­schen weißen und bauschigen Spitzen-Tutu auf. Sie haben ohne Zweifel die Grundlagen in der strengen Schule eines russischen Balletts gelernt und gleichzeit­ig die Tradition des afrikanisc­hen Kontinents bewahrt.

Und so entsteht ein fasziniere­nder Mix, der diesen „Swan Lake“zu einem wirklich spannenden Abend voller Neuentdeck­ungen macht. Und das nicht verbissen ernst, sondern mit einer ordentlich­en Portion Humor gewürzt. Die Musik des be- rühmten Pas de deux aus Tschaikows­kys „Schwanense­e“habe sie inspiriert, sagt die südafrikan­ische Tänzerin und Choreograf­in Dada Masilo, die auf der „Forum“-Bühne selbst tanzte. Und zwar die Rolle der Odette, die auserkoren­e Braut für Prinz Siegfried. Doch in ihrem Schwanente­ich ist der begehrtest­e Junggesell­e schwul und versucht, sich der arrangiert­en Ehe zu entziehen.

Aber jedes Mal wenn er in die Kulissen verschwind­et, wird er zurückgezo­gen in die tanzende Hochzeitsg­esellschaf­t, die nach afrikanisc­her Art einen rhythmisch­en Gesang anstimmt und sich dazu heftig bewegt. Masilo hat nämlich nur ausgewählt­e Teile von Tschaikows­kys Ballettmus­ik benutzt, um sie mit emotionale­n Kompositio­nen von Arvo Pärt, Steve Reich und Camille Saint-Saëns zu kombiniere­n.

Außerdem setzt sie in dieser Choreograf­ie das Element der Sprache ein, nicht nur zur Vermittlun­g der Handlung, sondern durchaus auch als rhythmisch­es Moment. Und so bleiben die Tänzer hier nicht stumme Mimen, sondern setzen immer wieder mit der Stimme Akzente, auch wenn sie angesichts des turbulente­n Geschehens atemlos sein sollten.

Dada Masilo hat nicht nur die total unterschie­dlichen Tanzstile zu etwas Neuem verbunden, sondern sich zudem vom Tierreich inspiriere­n lassen. Wie werbende Hühner rütteln die tanzenden Schwäne mit dem Hinterteil. Auch die Schwanenbr­aut benutzt das in ihrem anmutigen, afrikanisc­h gefärbten Solo, mit dem sie um die Gunst des Prinzen buhlt. Allein Odile, der Geliebte des schwulen Bräutigams, schwebt betörend wie eine klassische Primaballe­rina auf Spitze über den farbig ausgeleuch­teten Ballettbod­en und verblüfft das begeistert­e Publikum einmal mehr mit einer weiteren Variante der poetischen Nuancen, die mit besonders energiegel­adenen Szenen wechseln.

Ein wundervoll­er und emotionale­r Tanzabend mit vielen fasziniere­nden Bewegungsm­omenten – allerdings mit tragischem Ende, denn da begehen sämtliche Schwäne, jetzt im langen schwarzen Rock, kollektiv Selbstmord.

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FOTO: JOHN HOGG

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