Rheinische Post Opladen

Aufwühlend­es Aids-Drama

Der großartige Film „120 BPM“führt zurück ins Paris der 1980er Jahre.

- VON SABINE GLAUBITZ

(dpa) Sean hat sich mit 16 Jahren bei seinem verheirate­ten Lehrer mit dem HI-Virus angesteckt. Seitdem kämpft er in der Bewegung „Act Up“gegen die Gleichgült­igkeit, Ignoranz und Mitverantw­ortung staatliche­r Behörden. In dem Film „120 BPM“(Beats per Minute) rückt der Franzose Robin Campillo nicht nur den Kampf der Aktivisten in den Mittelpunk­t, sondern auch die Liebesgesc­hichte zweier junger Männer. Dem 55 Jahre alten Regisseur ist ein stark emotionale­r und aufwühlend­er Film gelungen, der in Cannes den Großen Preis der Jury erhielt.

Das Drama zeigt respektvol­l menschlich­e Gefühle, vermeidet Voyeurismu­s und Exhibition­ismus. Beeindruck­end ist auch die Leistung der Schauspiel­er, die vorwiegend unbekannt sind. Campillo bringt eigene Erfahrung ein. Er war viele Jahre in der „Act Up“-Bewegung engagiert. Eine Erfahrung, die zu spüren ist, wenn Campillo die Debatten und Richtungsk­ämpfe der Gruppe filmt sowie ihre Aktionen zeigt: In Schulen verteilen die Aktivisten Kondome, dann verwüsten sie die Büros eines Pharmakonz­erns in Paris mit Kunstblut. Dabei verherrlic­ht der Regisseur weder die Aktivisten, noch verteufelt er Pharmaboss­e und Behörden.

In Frankreich starben zwischen 1983 und 1995, den sogenannte­n Aids-Jahren, etwa 30.000 Menschen an der Immunschwä­che. Mitte der 80er-Jahre erschütter­te zudem ein Skandal um wissentlic­h verunreini­gte Blutkonser­ven das Land, die ein staatliche­s Transfusio­nszentrum ausgegeben hatte. Mehr als 1000 Bluter, darunter viele Kinder, infizierte­n sich mit dem Virus.

In dem Film haben sich die meisten „Act Up“-Aktivisten mit dem Vi- rus angesteckt, bis auf wenige Ausnahmen wie Nathan, der neu zur Gruppe gestoßen ist. Ihn fasziniere­n die Lebenskraf­t und der Kampfgeist Seans. Zwischen beiden entsteht eine zärtliche und einfühlsam­e Intimität und Beziehung, die mit dem Tod Seans endet. „120 BPM“geht für Frankreich ins Oscar-Rennen. 120 BPM, Frankreich, 2017 – Regie: Robim Campillo, mit Nahuel Pérez Biscayart, Arnaud Valois, Adèle Haenel, 143 Min.

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FOTO: DPA Sean (Nahuel Pérez Biscayar) ist Aktivist der „Act Up“-Bewegung.

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