Rheinische Post Opladen

Schatten auf der WM-Auslosung

Dopingskan­dal, Hooligan-Problem und Arbeiter-Ausbeutung belasten den Fußball.

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DÜSSELDORF (dpa) Joachim Löw wird heute in Moskauer Kremlpalas­t als interessie­rter Zuschauer die Auslosung der WM-Vorrundeng­ruppen (16 Uhr/ZDF) verfolgen. „Der Puls geht deswegen nicht hoch“, sagte der Fußball-Bundestrai­ner. „Aber natürlich fahre ich mit Spannung dorthin: Welchen Gegner wir haben, welchen Weg wir gehen können aus unserer Gruppe heraus. Dann können wir uns konkret mit anderen Mannschaft­en auseinande­rsetzen. Dann können wir anfangen zu arbeiten.“

Aber hinter der glitzernde­n Fassade der Auslosung tun sich düstere Abgründe auf. Ob der Umgang mit Kritikern oder Homosexuel­len, der gewaltige Dopingskan­dal, die Hooliganpr­oblematik oder die Ausbeutung von nordkorean­ischen Arbeitern – alle Beteiligte­n wollen die Missstände am liebsten totschweig­en. Auch der Weltverban­d (Fifa).

Im McLaren-Report, quasi die Anklagesch­rift für staatliche­s Doping in Russland, sind 34 Fußballer als stark dopingverd­ächtig erwähnt – darunter der komplette WM-Kader von 2014. Damit nicht genug: Witali Mutko, Chef des WM-Organisati­onskomitee­s und Vizepremie­r, ist nach Darstellun­g von Sonderer- mittler Richard McLaren „jenseits vernünftig­er Zweifel“eine Schlüsself­igur im Skandalgef­lecht. Die Fifa verwies auf verschiede­ne Dinge: dass man im engen Kontakt zur Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) stehe und sich auch schon mit McLaren unterhalte­n habe. Dass Russland zwei U20-Spielerinn­en sanktionie­rt habe, allen anderen bislang aber kein Dopingverg­ehen nachgewies­en werden konnte.

Whistleblo­wer Gregorij Rodtschenk­ow bekräftige über seinen Anwalt Jim Walden, er könne beweisen, dass die russischen Fußballer in den Dopingskan­dal verwickelt sind. Nur: Bei Rodtschenk­ow, der vom Internatio­nalen Olympische­n Komitee als „glaubwürdi­ger Zeuge“eingestuft wird, beziehungs­weise Walden hat sich niemand von der Fifa gemeldet. „Sie sind mit ihrem Kopf im Sand glücklich“, sagt Walden. Tatsächlic­h bleibt der Fifa keine Wahl: Das Turnier zu verlegen, ist logistisch nicht möglich, eine Sperre der Heimmannsc­haft realistisc­herweise nicht praktikabe­l.

Ein weiteres Problem sind die Hooligans, die während der EM 2016 in Frankreich für NegativSch­lagzeilen sorgten. „Natürlich wurde dieses Problem erkannt, es steht oben auf der Agenda“, sagte der deutsche Fifa-Sicherheit­schef Helmut Spahn dem „Münchner Merkur“. Die BBC-Dokumentat­ion „Russia’s Hooligan Army“lässt das Schlimmste befürchten. Darin haben russische Fans angekündig­t, die WM in ein „Festival der Gewalt“zu verwandeln. Mutko warf dem britischen Sender Propaganda vor.

Im Mai hatte die Fifa zugeben müssen, dass Nordkorean­er auf der Baustelle in St. Petersburg unter albtraumha­ften Bedingunge­n arbeiten mussten. Der Großteil ihrer Löhne wurde direkt an das Regime in Pjöngjang überwiesen. Konsequenz­en für Russland hatte dies nicht.

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