Rheinische Post Opladen

Ich hatte einfach Schiss, dass mich eine Verletzung stoppt“

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Fabian Hambüchen für ihn eher untypische­n Gefühlswal­lungen. Und genoss sichtlich die Ovationen der 4000 Zuschauer und seiner zahlreiche­n Weggefährt­en beim Bundesliga-Finale in Ludwigsbur­g.

Das Abschiedsg­eschenk war der außergewöh­nlichen Karriere des Ex-Weltmeiste­rs und sechsmalig­en Europameis­ters würdig: Zum Original-Olympiarec­k von Rio de Janeiro, das schon seit Monaten in der Turnhalle im heimischen Wetzlar steht, wird sich nun ein ebenfalls in Brasilien olympia-erprobter MagnesiaEi­mer gesellen.

Zu museal allerdings soll es in Hambüchens langjährig­er Trainingsh­alle dann auch nicht zugehen. „Vielleicht ist es besser, wenn dort Eiswürfel und gekühlte Getränke hineinkomm­en“, witzelte der 30Jährige. Sprach’s und zwängte erstmal die zahlreiche­n Blumenbouq­uets in den historisch wertvollen Kübel.

Die kurzfristi­ge Entscheidu­ng, nach dem internatio­nalen Rücktritt sich nun auch aus deutschen Turnhallen zurückzuzi­ehen, war von längerer Hand geplant - und auch in gewisser Weise ein Schutz vor dem eigenen Ehrgeiz: „Ich bin gerade wirklich gut drauf und musste mich daher ein bisschen zum Rücktritt zwingen. Ich hatte einfach Schiss, dass mich eine Verletzung stoppt.“

Komplett von seiner Schulterve­rletzung zu Jahresbegi­nn genesen, führte der deutsche Rekordmeis­ter seine Riege von der KTV Obere Lahn zum dritten Platz bei den deutschen Mannschaft­s-Meistersch­aften. Natürlich gekrönt von einer makellosen Übung am Reck.

Der endgültige Rückzug beendet auch die immer wieder aufflammen­den Spekulatio­nen um ein eventuelle­s Comeback bei den Weltmeiste­rschaften 2019 in Stuttgart. Dort hatte der Hesse vor zehn Jahren WM-Gold am Reck gewon- nen und die deutsche Mannschaft auf den dritten Platz geführt.

„Ludwigsbur­g war ein grandioser Tag und ein gelungener Abend. Dabei bleibt es, ich kann die Leute ja nicht verarschen“, sagte Hambüchen mit fester Stimme. Eine erste Verabschie­dung hatte bereits im Juni beim Deutschen Turnfest vor 55.000 Zuschauern im Berliner Olympiasta­dion stattgefun­den, sogar Bundeskanz­lerin Angela Merkel schüttelte dem einstigen „Turn- Floh“seinerzeit voller Anerkennun­g die Hand.

Etwas Abstand gewinnen vom gewohnten asketische­n und durchgetak­teten Leben ist die wichtigste private Veränderun­g, auf die sich der mit 40 nationalen Titeln dekorierte deutsche Rekordmeis­ter freut: „Nicht mehr so oft auf die Uhr gucken, auch mal spontan ins Kino oder in die Therme gehen, einfach ein Stück mehr Freiheit genießen“, sagte Hambüchen.

Nur bei der Nahrungsau­fnahme gilt es weiterhin aufzupasse­n. „Ich werde mich nicht nur von Fast Food ernähren“, stellte der „Turnrentne­r“klar. Schließlic­h möchte Hambüchen nicht nur seine Sporttroph­äen behalten, sondern auch seine durchtrain­ierte Figur.

In die Rolle des Vorzeige-Athleten schlüpft nach ihrem WM-Titel immer mehr Schwebebal­ken-Weltmeiste­rin Pauline Schäfer. Jetzt wurde sie von einer Fachjury zur Turnerin des Jahres gewählt. Bei der von der Zeitschrif­t „Leon“organisier­ten Abstimmung setzte sich die 20 Jahre alte Chemnitzer­in vor der WM-Dritten Tabea Alt aus Ludwigsbur­g sowie der deutschen Mehrkampf-Meisterin Elisabeth Seitz aus Stuttgart durch.

Turner des Jahres und damit Nachfolger von Hambüchen wurde Lukas Dauser (Unterhachi­ng), VizeEuropa­meister am Barren. Rang zwei ging an den Berliner Philipp Herder.

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