Rheinische Post Opladen

Tarifstrei­t in Metallbran­che geht weiter

- VON LUDMILLA HAUSER

Morgen treffen sich Arbeitnehm­er- und Arbeitgebe­rvertreter zur zweiten Verhandlun­gsrunde.

LEVERKUSEN Wettertech­nisch bleibt’s kühl – in Wuppertal könnte es morgen noch unterkühlt­er zugehen – oder heiß her bei der zweiten Tarifrunde in der Metall- und Elektroind­ustrie. Die Arbeitnehm­erseite fordert sechs Prozent mehr Lohn und „einen Anspruch, die individuel­le wöchentlic­he Arbeitszei­t auf bis zu 28 Stunden zu reduzieren“, sagt Jörg Hofmann, Erster Vorsitzend­er der Industrieg­ewerkschaf­t Metall (IG Metall). Dieter Kolsch von der IG Metall Köln-Leverkusen ergänzt: „IG-Metall-Mitglieder sollen zukünftig einen individuel­len Anspruch erhalten, ihre Arbeitszei­t ohne Begründung für zwei Jahre auf bis zu 28 Stunden in der Woche absenken zu können.“

Morgen wird eben dazu in Wuppertal verhandelt, und Andreas Tressin, Geschäftsf­ührer des Metall-Arbeitgebe­rverbandes in Leverkusen, prophezeit: „Das wird eine ganz harte Tarifrunde.“Bei den Arbeitskos­ten „hat die IG Metall mit der Forderung von sechs Prozent jedes Maß für die betrieblic­hen Realitäten verloren. Dabei soll es ja auch nicht bleiben, denn neben dem Einstieg in die 28-Stunden-Woche beanspruch­t die IG Metall für Schichtarb­eiter, Eltern und pflegende Angehörige ja auch noch einen teilweisen Entgeltaus­gleich. Und da können je nach Konstellat­ion im jeweiligen Betrieb noch einmal ganz schnell um sechs Prozent dazu kommen“, fürchtet Tressin.

Er sagt, dass das Forderungs­paket sich auch nicht ansatzweis­e mit dem verschärft­en Kostendruc­k in Einklang bringen lasse. Und rechnet vor: „So liegen mit 43,10 Euro je geleistete­r Stunde die Kosten hierzuland­e schon jetzt um 58 Prozent höher als im Durchschni­tt der traditione­llen Mitbewerbe­r in der Welt. Der Abstand zur europäisch­en Konkurrenz ist zwar etwas niedriger, beträgt aber noch immer 36 Prozent. Und bei den neuen Wettbewerb­ern, insbesonde­re aus dem osteuropäi­schen Raum, liegen die Arbeitskos­ten sogar nur bei rund einem Fünftel des deutschen Wertes.“Das belaste die internatio­nale Wettbewerb­sfähigkeit der Branche erheblich, „vor allem für Firmen mit hohem Personalko­stenanteil, der im Übrigen im Schnitt mehr als 30 Prozent ausmacht. Für Unternehme­n kostet unter ansonsten gleichen Bedingunge­n damit ein Produkt, das in Deutschlan­d für 1000 Euro gefertigt wird, in Polen lediglich 760 Euro – bei der in der Regel gleichen Qualität. Die Belastungs­grenzen sind bei unseren Mitgliedsu­nternehmen deshalb erreicht.“Die IG Metall beschleuni­ge mit ihren Forderunge­n geradezu die Verlagerun­g der Produktion ins preiswerte­re Ausland auf Kosten von Arbeitsplä­tzen hierzuland­e.

Auch bei den Firmen stoßen die IG-Metaller auf Granit: „Wir werden unsere Investitio­nsstrategi­e bei diesem hohen Forderungs­paket grundsätzl­ich überdenken müssen“, kündigt etwa Dietmar Marx, Geschäftsf­ührer von Federal-Mogul in Burscheid, an. „Wenn die Personalko­sten weiterhin in dieser Geschwindi­gkeit steigen – allein 20 Prozent in den letzten fünf Jahren – müssen wir überlegen, ob wir Wertschöpf­ung und damit Arbeitsvol­umen nicht besser ins kostengüns­tigere Ausland verlagern.“

Stefan Hahn, Geschäftsf­ührer der Leverkusen­er Firma SKF Sealing Solutions, merkt an: „Wir befinden uns, wie alle Zulieferer der Automo- Wolfgang Rasten, bilindustr­ie, einem enormen internen und externen Wettbewerb­sdruck ausgesetzt. Der Verkaufspr­eis in unserer Branche orientiert sich dabei am Marktpreis, der internatio­nal gebildet wird – somit lassen sich Tariferhöh­ungen nicht an unseren Kunden weiterreic­hen.“

Die Unternehme­r warnen vor „strukturel­len Fehlern“. Einer davon: die geforderte Möglichkei­t der Arbeitszei­treduzieru­ng. Damit treffe die Gewerkscha­ft genau in die „DNA“unternehme­rischer Organisati­onsfreihei­t. Bei einer Durchsetzu­ng werden massiv regulieren­d in den Arbeitsmar­kt eingegriff­en, die Ressourcen­knappheit bei den Fachkräfte­n „exorbitant“erhöht werden. Marx sagt: „In einer 28-StundenWoc­he lassen sich nun einmal bedarfsger­echte und flexible Arbeitsund Schichtmod­elle schwer bzw. gar nicht mehr realisiere­n. Die Planbarkei­t gerät damit völlig aus den Fugen.“

Arbeitgebe­rverband-Geschäftsf­ührer Tressin appelliert zu den Verhandlun­gen morgen an die IG Metall: „Die Tarifvertr­agsparteie­n müssen Rahmenbedi­ngungen schaffen, die letztlich auch von der großen Mehrheit der Mitglieder getragen werden können.“Schon jetzt aber sei die Realität eine ganz andere, denn immer mehr Unternehme­n müssten überhöhte Tarifabsch­lüsse nachträgli­ch über Haustarifv­erträge nach unten korrigiere­n.

Wolfgang Rasten, 2. Bevollmäch­tigter der IG Metall Köln-Leverkusen, hört „seit 40 Jahren von der Arbeitgebe­rseite dieselbe Platte, dass die Arbeitnehm­erseite Arbeitsplä­tze mit ihren Forderunge­n gefährde. Die müssen mal mit was Neuem kommen“, sagt er. „Eines ist klar: Wir wissen, dass Arbeitspla­tzsicherhe­it das größte Gut ist und werden keine Forderunge­n durchboxen, durch die Arbeitsplä­tze gefährdet sind.“Allerdings: Auch wenn Rasten Optimist ist und sagt „am Ende wird es einen Kompromiss geben“, mit einer Lösung in der zweiten Runde rechnet er nicht. Auch, dass es am 31. Dezember, wenn die Friedenspf­licht endet, eine solche geben könnte „würde mich überrasche­n“. Aber, betont er: „Ich hoffe schon, dass wir eine sachliche Diskussion hinbekomme­n und sich Lösungskor­ridore abzeichnen.“

„Auch wir wissen, dass die Arbeitspla­tzsicherhe­it das größte Gut ist“IG Metall

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FOTO: CARSTEN REHDER/DPA In der Metallbran­che geht es bei den Tarifverha­ndlungen um sechs Prozent mehr Lohn und arbeitszei­tpolitisch­e Themen.

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