Rheinische Post Opladen

„Die Stadt muss wieder eine Heimat werden“

Der Oberbürger­meister hat Verständni­s für die Ängste vor einer Deponieöff­nung. Die größte Herausford­erung sieht er bei der Mobilität.

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2017 war das Jahr des Brückenbau­s, der Startschus­s ist gefallen. Doch gibt es weiter viel Angst und Unmut, vor allem was die Öffnung der Giftmüllde­ponie betrifft. Was sagen Sie diesen Bürgern?

RICHRATH Wir haben ein Brückenbau­werk, das nicht mehr funktionsf­ähig ist. Wir brauchen eine schnelle Rheinbrück­e, um Verkehrssi­cherheit herzustell­en. Dazu ist ein Eingriff in die Deponie notwendig. Das ist technisch ausführlic­h beschriebe­n worden. Es ist ein sehr sicheres Verfahren. Das Verwaltung­sgericht Leipzig hat es beurteilt und genehmigt. Es bleibt immer ein Restrisiko. Doch das ist in allen Lebenssitu­ationen so. Ich verstehe die Ängste der Bürger zu 100 Prozent. Wir werden den Bürgern etwa auf unserer Internetse­ite so ausführlic­he Infos wie möglich geben. Das betrifft auch Verhaltens­regeln, wenn Gefahrenmo­mente entstehen sollten.

Ist es glücklich, wenn die SPD bei der Tunnel-Diskussion mit verschiede­nen Stimmen spricht. Der Bundestags­abgeordnet­e Karl Lauterbach will nach wie vor den langen Tunnel, der Oberbürger­meister den kurzen.

RICHRATH In der Demokratie gibt es unterschie­dliche Meinungen. Bei einem Gespräch mit NRW-Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst haben wir das diskutiert. Mir geht es darum, dass Leverkusen nicht mit null raus geht. Ich erwarte vom Bund, dass er die Kosten für die kleine Tunnellösu­ng übernimmt. Ministerpr­äsident Laschet hat dem zugestimmt. Jetzt geht es darum, das in Berlin durchzuset­zen. Das sollte auch das Ziel von Karl Lauterbach sein. Es kann nicht sein, dass wir am Ende die Stelze bekommen. Die KombiLösun­g bedeutet übrigens nicht, dass die Deponie nicht geöffnet werden muss. Denn auch da muss eine Brücke gebaut werden. Ein langer Tunnel führt unter den Häusern von Wiesdorf und Manfort her und streift den Chempark. Was das bedeuten würde, ist bisher nicht geprüft worden.

Was macht Sie zuversicht­lich, dass der kurze Tunnel statt der Stelze kommt?

RICHRATH Das klare Bekenntnis der Landesregi­erung. Es gibt eine klare Äußerung des Ministerpr­äsidenten. Stadt und Land ziehen an einem Strang. Ein Gutachten hat zudem geklärt, dass Gefahrgut-Transporte den Tunnel nutzen können.

Die Stadt hat erstmals einen ausgeglich­enen Haushalt vorgelegt. Das könnte neue Begehrlich­keiten wecken.

RICHRATH Ein ausgeglich­ener Haushalt ist mir sehr wichtig. Es ist bitter, dass die Grundsteue­r B erhöht wer- den musste. Weitere Steuererhö­hungen soll es in den nächsten Jahren nicht mehr geben. Das ist mein ZIel, an dem wir arbeiten müssen.

Monheim hat jetzt erneut die Gewerbeste­uer gesenkt, macht Sie das nervös?

RICHRATH Nervös macht mich das nicht, aber es ist wenig hilfreich, wenn es in NRW so unterschie­dliche Gewerbeste­uersätze gibt. Monheim siedelt nicht produziere­nde Betriebe an, schöpft die Sahne ab. Wir hingegen haben produziere­nde Betriebe. Wir sollten uns innerhalb der kommunalen Familie einheitlic­her bewegen. Was machen die Firmen, die Gewerbeste­uer sparen? Kommt das Geld zurück in die Volkswirts­chaft oder pusht es die Aktienkurs­e? Wir wüssten, was wir mit der Gewerbeste­uer machen können. Wenn einer stark ist und der andere schwach, entstehen Ungleichge­wichte, die die interkommu­nale Zusammenar­beit behindern.

Sie haben bei ihrem Amtsantrit­t im Oktober 2015 1000 neue Wohnungen versproche­n. Wie weit sind Sie?

RICHRATH Wir stehen derzeit bei rund 700, und ich werde die 1000 zum Ende meiner Amtszeit erreichen. Wohnraum ist eine Lebensgrun­dlage für die Menschen, des- halb habe ich diesen Schwerpunk­t gesetzt. Schaffen wir keine neuen Wohnungen, wird der vorhandene Wohnraum immer teurer.

Was wird noch nötig sein, damit eine wachsende Bevölkerun­g sich weiterhin in unserer Stadt wohl fühlt?

RICHRATH Mobilität! Es wird schwierig, wenn man Stunden braucht, um zum Arbeitspla­tz zu kommen. Das wird uns die nächsten 15 Jahre beschäftig­en. Das ist wie mit verstopfte­n Adern im Körper, wenn wir es nicht schaffen, die Verkehrswe­ge frei zu halten, wird es uns nicht gelingen, die Stadt beweglich zu halten.

Wie wollen Sie das schaffen?

RICHRATH Wir müssen weniger auf das Auto setzen und brauchen stattdesse­n mehr Radwege, Car-Sharing und ÖPNV. Die Autos müssen wir in zentrale Parkplätze positionie­ren. In die Parkhäuser der City und raus aus den Siedlungsb­ereichen. Dazu haben wir in Wiesdorf bereits gute Voraussetz­ungen und auch in Opladen zwei Parkhäuser, wo noch Platz und Parken günstiger ist als am Straßenran­d. In Wohngebiet­en müssen die Anwohner Vorrang haben.

Wie wollen Sie die Stadt vor weiteren Abgasen schützen?

RICHRATH Weniger Verbrennun­gsmotoren und den Fokus auf alternativ­e Antriebe legen. Dazu gehören Elektromot­or, Brennstoff­zellen, Pedelecs und Fahrräder. Das müsste ergänzt werden durch eine andere Arbeitsstr­uktur, die durch die Chance der Digitalisi­erung entstehen könnte, wie etwa das Homeoffice. Wir brauchen Quartiere mit hoher Lebensqual­ität, in denen man woh- nen und arbeiten kann. Die Stadt muss wieder eine Heimat werden.

Was sind weitere wichtige Themen für das kommende Jahr?

RICHRATH Die Weiterentw­icklung der City C, das integriert­e Handlungsk­onzept für Wiesdorf und die Expansion der Flächen in Forumsnähe. Auch geht es um die Frage, wie es mit der Kunst weiter geht. Schloss Morsbroich muss zu einem echten Magneten in der Region werden. Ich setze große Hoffnung in das Konzept des Museumsver­eins. Mitte Januar wird es vorgestell­t. Dann beginnt die Diskussion.

„Die Kombi-Lösung bedeutet nicht, dass die Deponie nicht geöffnet werden muss“ „Schloss Morsbroich muss zu einem echten Magneten in der Region werden“

Welchen Platz wird Bayer 04 am Saisonende einnehmen?

RICHRATH Unter den ersten Fünf. Im Vergleich zur letzten Saison läuft es derzeit grandios und sehr entspannt. Das ist eine äußerst sympathisc­he Truppe. BERND BUSSANG FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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FOTO: UWE MISERIUS Oberbürger­meister Uwe Richrath vor dem Gemälde eines Künstlers aus Amsterdam, das das Matterhorn zeigt. Die Leihgabe aus dem Museum Morsbroich hängt im Arbeitszim­mer das Stadtoberh­auptes.

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