Rheinische Post Opladen

Fanatiker auf Freiersfüß­en

Sou Abadi ironisiert in ihrem Film „Voll verschleie­rt“religiösen Radikalism­us.

- VON MICHAEL KIEFFER

(dpa) Die Studenten Leila und Armand sind frisch verliebt und freuen sich auf ein Praktikum bei den Vereinten Nationen in New York. Doch da haben sie die Rechnung ohne Leilas Bruder Mahmoud gemacht: Als der von einer Reise aus dem Jemen nach Frankreich zurückkehr­t, ist er völlig verändert.

Zu Hause hängt Mahmoud erst mal einen Wandteppic­h mit dem Konterfei von Hassan al-Banna auf – dem Gründer der Muslimbrud­erschaft – und schmeißt seine alten, westlichen Klamotten weg. Seiner Schwester verbietet er den Kontakt zu Armand. Um Leila dennoch sehen zu können, schlüpft dieser unter einen Niqab – ganz nach dem Motto: „Es gibt Tage, an denen die Wahrheit ihr Gesicht besser nicht zeigt.“Und als ob die Maskerade nicht schon schwierig genug wäre, verliebt sich der streng religiöse Mahmoud auch noch in das scheue Wesen unter dem Schleier.

In der Komödie „Voll verschleie­rt“trifft französisc­he Leichtigke­it auf ernste Themen rund um Migration und religiösen Fanatismus. Sou Abadi, bisher Dokumentar­film-Regisseuri­n, gibt damit ihr Spielfilmd­ebüt und baut eine Reihe eigener Erfahrunge­n in die Migrations­komödie ein. So hat die Filmfigur Armand – gespielt von Félix Moati – ebenso wie Abadi einen iranischen Hintergrun­d. „Streng religiöse Erziehung, eine vorgeschri­ebene Kleiderord­nung und die Sittenpoli­zei haben sich unauslösch­lich in die Erinnerung­en an meine Teenagerze­it eingebrann­t“, sagt Abadi, die einige Jahre nach dem Sturz des Schah-Regimes durch Revolution­sführer Ajatollah Chomeini als Jugendlich­e nach Frankreich kam.

Ihre Filmfigur Mahmoud (William Lebghil) bezeichnet Abadi als „noch nicht völlig radikalisi­ert“. Dem etwas unbeholfen wirkenden „religiösen Fanatiker auf Freiersfüß­en“, wie es im Presseheft zum Film heißt, bringt sie durchaus Sympathien entgegen, was einem als Zuschauer zumindest in manchen Szenen schwerfall­en dürfte: etwa als Mahmoud den Pass von Leila (Camélia Jordana) anzündet, um zu verhindern, dass seine Schwester in die USA reist, oder als Mahmoud mit einem Beil eine Tür zertrümmer­t – im Glauben, dahinter verbarrika­diere sich Leila.

Das sind Szenen, wo die Wohlfühl-Atmosphäre, die bei „Voll verschleie­rt“dominiert und auch anderen französisc­hen Sozialkomö- dien wie „Ziemlich beste Freunde“oder „Monsieur Claude und seine Töchter“zu eigen ist, nicht mehr ganz glaubwürdi­g wirkt – zumal Anschläge wie die im Pariser Bataclan oder auf die Redaktion der Satirezeit­schrift „Charlie Hebdo“noch zu präsent sind. Das Spiel mit den Klischees in „Voll verschleie­rt“kommt da manchmal etwas holzschnit­tartig daher.

Für Abadi ist ihre Komödie eine „Geschichte über Versöhnung“. Man möchte angesichts der Spannungen zwischen islamische­r und westlicher Welt gern daran glauben. „Voll verschleie­rt“(Cherchez la femme), Frankreich 2017, 87 Min., FSK ab 6, von Sou Abadi, mit Félix Moati, Camélia Jordana, William Lebghil

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FOTO: DPA Felix Moati (als Armand) in „Voll verschleie­rt“.

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