Die Mannschaft und das Glück
Das Sportjahr 2018 steht ganz im Zeichen von zwei Großveranstaltungen: der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland und den Olympischen Winterspielen in Südkorea. Und ein Teil der Welt schaut sicher auch nach Berlin – zur Skat-WM.
DÜSSELDORF Mitte August schaut die Welt gebannt nach Berlin. Im Maritim-Hotel ermitteln die Skatspieler ihre Weltmeister. Als Titelverteidiger geht der Aachener Rolf Schnier ins Rennen. In einem anderen Leben, in seinem Beruf, ist er Pförtner des Aachener Rathauses. Weil er da viel zu tun hat, ist er in der Weltrangliste inzwischen auf Rang 320 abgerutscht. Ihm fehlt einfach die Zeit, an Turnieren teilzunehmen, die für die Weltrangliste von Bedeutung sind.
Die Skat-WM ist freilich nicht der einzige sportliche Höhepunkt des Jahres. Neben der Weltmeisterschaft im Frauentragen, traditionell in Finnland ausgetragen und von Finnen dominiert, schickt sich die deutsche Fußball-Nationalmannschaft an, als erstes Team seit Brasilien den Titel zu verteidigen. Den Brasilianern gelang dieses bemerkenswerte Kunststück 1962; 1958 hatte die Selecao mit dem noch blutjungen Superstar Pelé die Weltmeisterschaft zum ersten Mal gewonnen.
Die DFB-Auswahl holte sich in Brasilien 2014 den Titel – unter anderem, weil sie im Halbfinale die Brasilianer mit 7:1 bezwangen. Das kann immer noch nicht jeder glauben.
Damit aber jedem deutlich wird, um was für ein Meisterwerk es sich bei einer Titelverteidigung handeln würde, hat sich Bundestrainer Joachim Löw bereits zu sprachlichen Meisterleistungen aufgeschwungen. Seiner Mannschaft stellt er „übermenschliche Anstrengungen“in Aussicht. Und er verlangt folgerichtig eine geradezu „übermenschliche Konzentration“auf das große Ziel beim Endturnier in Russland. Die Prämie für den Finalsieg hat ebenfalls übermenschliche Dimensionen. 350.000 Euro hat der Verband für den Erfolg im Endspiel versprochen – jedem Spieler, versteht sich. Dafür muss Otto Normalfan schon sechs Richtige im Lotto verbuchen.
Löw selbst glaubt weniger an Glücksspiele in Russland. Er ist überzeugt davon, dass seine wie immer höchst akribische Vorbereitung „die Mannschaft“(das ist längst ihr Werbename) in die Lage versetzen wird, jedem der großen Gegner gewachsen zu sein. Und große Gegner sieht Löw in großer Zahl. Er nennt das wiedererstarkte Brasilien, Spanien, Frankreich, England und Ar- gentinien. Der langjährige Angstgegner Italien hat sich ja zum Glück bereits in der Qualifikation verabschiedet. Er scheiterte an Schweden, das wiederum zu den Vorrundengegnern der Deutschen gehört.
Mit ein bisschen Pech könnte Löws Team bereits im Achtelfinale auf Brasilien treffen. Wer über eine solche Paarung mehr erschrecken würde, ist aber noch nicht heraus. Der Stachel des immer noch unglaublichen 1:7 von Belo Horizonte sitzt bei den Brasilianern so tief im kollektiven Gedächtnis wie das 1:2 gegen Uruguay, das 1950 rund 200.000 Zuschauer im MaracanaStadion von Rio de Janeiro zum Schweigen brachte. Der große Favorit Brasilien verlor durch diese Niederlage den sicher geglaubten Titel. Derart schmachvolle Erfahrungen befürchtet Löw nicht. Er fürchtet sich ohnehin nicht. Deutschlands Trainer, der seine Mannschaft bei fünf großen Turnieren in Folge immer bis mindestens ins Halbfinale geführt hat, verfolgt seinen Job so entspannt wie ein Zen-Meister.
Ganz so entspannt wie der Fußball-Trainer gehen die Wintersportler sicher nicht in einen anderen Höhepunkt dieses Sportjahres 2018. Die Olympischen Spiele in Südko- rea stehen nicht unbedingt unter den besten Vorzeichen. Das Säbelrasseln zwischen den USA und Südkoreas Nachbarn Nordkorea erinnert an böse Zeiten des Kalten Krieges. Und nicht jeder wird ohne Bedenken die Reise nach Asien antreten.
Überschattet werden die Spiele darüber hinaus wieder einmal vom Dopingskandal der russischen Mannschaft. Wegen des inzwischen zweifelsfrei nachgewiesenen Staatsdopings in Russland dürfen nur „saubere“russische Athleten unter neutraler Flagge antreten. Ihr nationales olympisches Komitee ist gesperrt. Die Russen haben es murrend hingenommen, die BoykottDrohung ist vorerst vom Tisch.
Ein (staatlich verordneter) Boykott wäre auch nicht die beste Einstimmung auf das Fußballturnier im Sommer, bei dem der Gastgeber wie schon bei den Olympischen Spielen von Sotschi tüchtig Werbung für sein Land betreiben will.
Rolf Schnier hat das schon vor zwei Jahren im Spielerparadies Las Vegas getan, als er im „Caesar’s Palace“Skatweltmeister wurde. Von einer Erfolgsprämie ist allerdings nichts bekannt. Er ist schließlich auch kein Fußballspieler.