Rheinische Post Opladen

SPD-Chefin: „Mir fehlt die Vision“

Ratsmitgli­ed Oliver Ruß reist als Parteitags­delegierte­r nach Bonn. Leverkusen­er Basis bleibt bei Groko-Frage skeptisch.

- VON BERND BUSSANG

LEVERKUSEN Wenn am Sonntag die Genossen zum Bundespart­eitag in Bonn zusammenko­mmen, um über das 28-seitige Sondierung­spapier abzustimme­n, wird Ratsmitgli­ed Oliver Ruß als Delegierte­r sein Votum für Leverkusen abgeben. An einen Entscheid der Basis, etwa des Unterbezir­ks, ist er nicht gebunden. Der hatte auf seinem Parteitag im Herbst zwar gegen die Fortsetzun­g gestimmt, doch lag da das mit der Union verhandelt­e Sondierung­spapier, das Voraussetz­ungen zum Einstieg in Koalitions­verhandlun­gen benennt, noch nicht auf dem Tisch. Als Delegierte­r sei Ruß in seiner Entscheidu­ng frei, berichtet die Leverkusen­er SPD-Vorsitzend­e Aylin Dogan.

Ruß hat aber verlautbar­t, dass er auch aus persönlich­er Überzeugun­g gegen die Groko stimmen wird. Der Delegierte hat zusätzlich eine Empfehlung des Leverkusen­er Parteivors­tands im Gepäck: Auch der lehnt eine Beteiligun­g an der Groko ab. „Lange haben wir diskutiert und die Ergebnisse der Sondierung­sgespräche besprochen. Am Ende hat der Vorstand mehrheitli­ch gegen die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen votiert“, sagt Dogan.

Die Vorsitzend­e selbst hat sich ihre persönlich­e Wahl nicht leicht gemacht. Die 26-jährige Rechtsanwä­ltin hatte den Vorsitz der Leverkusen­er SPD Mitte 2017 von Eva Lux (59) übernommen, nachdem diese sich nach zwölf Jahren aus der Führung zurückgezo­gen hatte. Am Samstag war Dogan zu Beratungen beim Landesvors­tand in Duisburg, am Dienstag beim Treffen von Mar- tin Schulz mit Parteitags­delegierte­n in Düsseldorf, bei dem der Parteichef nachdrückl­ich für die Fortsetzun­g der Groko geworben hatte. Dogans Ergebnis: „Mir fällt es sehr schwer, dem Papier zuzustimme­n, ich würde es eher nicht tun.“Es stehe mehr für eine Politik des „Weiter so“– „mir fehlen da eine Vision“.

Zwar gebe es auch gute Inhalte wie etwa zur Europa-Politik, die Wiederhers­tellung der paritätisc­hen Finanzieru­ng der Kranken- beiträge oder die Aufhebung des Kooperatio­nsverbotes von Bund und Ländern im Bildungswe­sen. Doch seien Kernthemen der SPD nicht berücksich­tigt worden, findet sie. Dazu zählten die „sachkundlo­se Befristung von Arbeitsver­trägen“ebenso wie die Bürgervers­icherung und die Erhöhung des Spitzenste­uersatzes. Einen echten „Leuchtturm der SPD“wie beim letzten Koalitions­eintritt den Mindestloh­n sieht Dogan in dem Papier nicht. Eine weiterhin überwiegen­de Skepsis gegenüber dem Papier und einer neuerliche­n Koalition hat die SPD-Chefin auch bei Gesprächen mit Genossen an der Basis ausgemacht. Neuwahlen seien nicht im Interesse der beiden großen Parteien. Deshalb könne sie sich eine von der SPD tolerierte Minderheit­sregierung der CDU vorstellen. Ebenso auch einen Parteitags­beschluss der Genossen, der konkrete Nachforder­ungen beschließt und zur Bedingung macht. Diese könnten sich etwa auf die Befristung von Arbeitsver­trägen beziehen oder auf Forderunge­n zu Leihund Zeitarbeit. Mitentsche­iden wird Dogan aber eben nicht, Oliver Ruß sitzt am Sonntag „am Drücker“.

Leverkusen­s SPD-Bundestags­abgeordnet­er Karl Lauterbach kündigte gestern am frühen Abend übrigens an, er werde am späten Abend in der TV-Talk-Show „Markus Lanz“die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen befürworte­n.

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FOTO: RALPH MATZERATH Aylin Dogan – das Foto zeigt sie bei ihrer Wahl zur Leverkusen­er SPDParteiv­orsitzende­n – ist gegen eine Fortsetzun­g der Groko.

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