Rheinische Post Opladen

Königsblau­er Kindergart­en

- VON MARKUS PLÜM

GELSENKIRC­HEN Es kam so, wie es kommen musste. Bereits beim Aufwärmen vor der Bundesliga-Partie gegen Hannover 96 wurde der im Sommer ablösefrei zum FC Bayern München wechselnde Leon Goretzka am Sonntagabe­nd von großen Teilen des Schalker Publikums gnadenlos ausgepfiff­en, auf einem Banner wurde dem 22-Jährigen nahegelegt, sich lieber zu „verpissen“, wenn ihm Geld und Titel mehr wert seien als der Verein Schalke 04.

Leon Goretzka die Entscheidu­ng übel zu nehmen, zum Branchenpr­imus nach München zu wechseln, sei den emotionale­n Schalker Fans gestattet. Dass aber ausgerechn­et Manager Christian Heidel und Klubboss Clemens Tönnies ihren Noch-Angestellt­en vor der Partie mit beleidigte­n Aussagen bewusst der Fan-Wut ausliefert­en, grenzt an Verantwort­ungslosigk­eit. Denn durch die Anfeindung­en wirkte am vergangene­n Sonntag nicht nur Goretzka gehemmt, sondern zugleich die gesamte Mannschaft. Auch wenn das nach dem 1:1 gegen Hannover keiner der Verantwort­lichen wirklich zugeben wollte.

Freilich mussten die Schalker in der Vergangenh­eit bereits mehrere schmerzhaf­te Abgänge verkraften. Nach Mesut Özil, Manuel Neuer, Julian Draxler und Leroy Sané verlässt in Goretzka nun ein weiteres zum Hoffnungst­räger auserkoren­es Talent den Verein. Und Goretzka hat durch sein Zögern in Sachen Vertragsve­rlängerung die Geduld der Verantwort­lichen höchstwahr­scheinlich auch überstrapa­ziert. Doch Profi-Fußball ist nichts ande- res als ein Geschäft – das sollte auch auf Schalke klar sein. Christian Heidel, der bereitwill­ig Details der Verhandlun­gen kundtat, und Clemens Tönnies, der sich im TV-Interview mehr als gekränkter Fan, der Goretzka nicht mehr im Schalker Trikot sehen will, und eben nicht als Klubboss präsentier­te, gefährden mit ihren Aussagen den Erfolg der Mannschaft. Das ist unprofessi­onell.

Das konnte man Leon Goretzka nach dem Hannover-Spiel hingegen nicht vorwerfen. Für die Fan-Reaktionen zeigte er Verständni­s, bis zum Sommer wolle er dennoch weiter alles für Schalke geben. Und er erläuterte sachlich seine Wechsel-Gründe: Er will Titel gewinnen, dafür sei die Wahrschein­lichkeit in München am höchsten. Eine rein berufliche Entscheidu­ng im Milliarden-Business Profi-Fußball.

Gespannt sein darf man nun, wie die Schalker Fans den ablösefrei­en Neuzugang Mark Uth im Sommer empfangen werden – denn der hat sich ihrer Logik folgend aus Hoffenheim „verpisst“, um auf Schalke Millionen und Titel zu sammeln.

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FOTO: IMAGO Leon Goretzka (l.) und Christian Heidel (r.) gehen getrennte Wege.

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