Rheinische Post Opladen

Fastenzeit – kneifen gilt nicht

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Heute beginnt die Fastenzeit. Die evangelisc­he Kirche fasst sie weniger als selbst verordnete Askese, sondern als Gelegenhei­t zu Umkehr und Besinnung auf. Das diesjährig­e Motto ihrer Fastenakti­on lautet: „Sieben Wochen ohne Kneifen“. Pfarrerin Tanja Kraski aus Hitdorf erklärt’s.

Konfrontat­ion suche. Für mich ist also wichtig, dass ich in den kommenden Wochen nicht vor der offenen Konfrontat­ion kneife. Ich werde versuchen, stärker mein Gesicht zu zeigen und mich bewusst in die Diskussion zu begeben.

Welche Personen, die nicht gekniffen haben, kennt die Bibel?

KRASKI Die Bibel kennt beide, solche, die kneifen und die es nicht getan haben. Selbst Jesus hat kurz vor der Kreuzigung im Garten Getsemani seinen Vater gebeten, den Kelch an ihm vorübergeh­en zu lassen. Und er ist dann doch konsequent seinen Weg bis zum Schluss gegangen. Und es gibt in Genesis 32 die Stelle, wo Jakob am Fluss Jabbok Gott in Gestalt eines Mannes begegnet und hart mit ihm ringt und ihn erst wieder loslässt, nachdem der ihn gesegnet hat. Manchmal müssen wir also auch Gott herausford­ern. Die Bibel kennt einige solcher schillernd­er oder ambivalent­er Personen, auch Simon Petrus hat ja Jesus dreimal verleugnet. Er hat gekniffen.

„Zeig Dich!“heißt es auf dem Werbeplaka­t für die Aktion: Im Grunde gehört das „sich Präsentier­en“zumindest für die narzisstis­ch angehaucht­e junge Generation heute zur täglichen Übung, Selfies zu machen und sie auf Instagram hochzulade­n. Was würden Sie Ihren eigenen Kindern dazu gerne mit auf den Weg geben?

KRASKI Ja, aber bei Instagram wird nicht das wahre Ich gezeigt, sondern nur ein retuschier­tes, bearbeitet­es Bild, das wir von uns vermitteln wollen. Ich versuche meinen Kindern zu sagen: Besinn Dich doch darauf, wer Du bist und was in Dir steckt. Mit meinem Ältesten, der sich momentan gerne auf Äußerlichk­eiten beschränkt, bin ich deshalb oft in der Diskussion. Für ihn ist einfach wichtig, was die anderen von ihm halten. Aber es ist eben oft ein angegliche­nes Bild.

Es ging jetzt viel um die inhaltlich­e Auseinande­rsetzung. Leben wir Ihrer Ansicht nach in einer Zeit, die wieder mehr Debatten nötig macht?

KRASKI Ich glaube, hier hat sich tatsächlic­h etwas geändert. Ich habe den Eindruck, dass es bei Diskussion­en heute schneller darauf an- kommt, auf einen gemeinsame­n Nenner zu kommen, um ein Thema abzuhandel­n. Es wird weniger diskutiert als kommentier­t und bewertet. Tiefgründi­ge Debatten gibt es doch kaum mehr. Wer nur kommentier­t, erwartet auch keine wirkliche Gegenrede. Niemand traut sich, ei- nen wirklichen Standpunkt zu beziehen, um sich nicht angreifbar zu machen. Denn dann müsste man seinen Standpunkt ja auch begründen können. DIE FRAGEN STELLTE D. SCHMIDT-ELMENDORFF

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH Pfarrerin Tanja Kraski ist in der evangelisc­hen Kirchengem­einde Monheim besonders für Hitdorf zuständig.

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