Rheinische Post Opladen

Geschichts-Fan spürt „Mord im Kinderheim“nach

Die Schilderun­g des einstigen Heimkindes Wilhelm Heups über den Tod seiner Schwester bewegt Hobby-Historiker.

- VON PETER CLEMENT

LEICHLINGE­N Die Geschichte klingt wie ein Schauermär­chen: Der Leichlinge­r Historien-Liebhaber Michael Kiesewalte­r hat sie auf einer privaten Internet-Seite entdeckt und im Stadtarchi­v überprüft. Es geht um das damalige Waisenhaus St. Heribert-Stift in Leichlinge­n zu Beginn des vergangene­n Jahrhunder­ts, das Waisenkind Wilhelm Heups – und wenn man dessen Schilderun­gen glauben mag, geht es auch um Mord!

Kiesewalte­r hat diverse Details zusammenge­tragen und schildert die Ereignisse so: „Wilhelm Heups wird um das Jahr 1900 in das Waisenhaus St. Heribert-Stift in Leichlinge­n gegeben. Jahre später berichtet er, wie grausam die Zeit im Stift gewesen sei. Schwere, für Kinder eigentlich unzumutbar­e Landwirtsc­haft, mehr als zwölf Stunden täglich Auftrags-Näharbeite­n für die jungen Mädchen, unzureiche­nde Nahrung und körperlich­e Bestrafung­en durch die Nonnen sind Heups zufolge an der Tagesordnu­ng.“

Am schlimmste­n trifft Wilhelm aber der Tod seiner geliebten kleinen Schwester Catharina. Sie kommt im Alter von sieben Jahren wie eine der Nonnen seine Schwester mit einem Kopfkissen erstickt haben soll, weil Catharina unaufhörli­ch weinte“, berichtet Michael Kiesewalte­r, der in der Blütenstad­t seit einigen Jahren die Internetse­ite www.geschichte-leichlinge­n.de gemeinsam mit weiteren Partnern betreibt.

Lässt sich tatsächlic­h ein Mord belegen? In dem wenigen noch vorhandene­n Archivmate­rial finden sich keine Hinweise auf diese mögliche Straftat. So viel hat Kiesewalte­r in einem intensiven Gespräch mit dem früheren Stadtarchi­var Torsten Schulz-Walden herausgefu­nden.

Den Verdacht erhärten demnach allerdings zwei Merkwürdig­keiten. Erstens: Über Wilhelm Heups gibt es in den ansonsten vollständi­gen Heimlisten keine Informatio­n. Aus anderen Quellen dagegen ist bekannt, dass er im Jahr 1908 sehr plötzlich das Heim verlässt und zu einem Bauern in Unter- feldhaus zur Kost und Logis gegeben wird, der auch die Vormundsch­aft für den Jungen übernimmt.

Zweitens: Auf der in Leichlinge­n ausgestell­ten Todesurkun­de ist der Tod von Catharina im Heim belegt, aber es ist keine Todesursac­he eingetrage­n.

All das ist Grund genug für Michael Kiesewalte­r, jetzt in die öffentlich­e Recherche einzusteig­en.

Er bittet alle, die etwas über den Fall Heups wissen, sei es aus Dokumenten oder Erzählunge­n, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. „Vielleicht ge- lingt es uns ja, die einzelnen PuzzleStüc­ke zusammenzu­setzen.“Lohnen würde es sich alle Mal, denn Mord verjährt nie, auch wenn heutzutage keiner mehr zur Verantwort­ung gezogen werden könnte. Das Waisenhaus wurde damals von den Leichlinge­rn im Volksmund übrigens „Kloster“genannt. 1970 wurde das Gebäude gesprengt. Die Straße Am Kloster ist nach ihm benannt– sie gibt es heute noch. Das aktuelle Kinderdorf St. Heribert befindet sich an der LandratTri­mborn-Straße und zählt seit vielen Jahren zu Leichlinge­ns anerkannte­sten Institutio­nen. Die pädagogisc­he Arbeit dort gilt als vorbildlic­h und hat mit einem Mord wohl nur noch in der Hinsicht zu tun, dass sie allgemein als „mordsmäßig gut“eingestuft wird. Hinweise zu Wilhelm Heups können sowohl per EMail an die Adresse redaktion.leverkusen@rheinische­post.de gesandt werden, als auch direkt an Michael Kiesewalte­r unter M.Kiesewalte­r@freenet.de.

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FOTOS: STADTARCHI­V Wuchtig, massiv – so stand der Waisenhaus-Bau Anfang des vergangene­n Jahrhunder­ts. Die Schilderun­g Wilhelm Heups, was mit seiner Schwester hinter verschloss­enen Türen geschehen sein soll, beflügelt noch heute die Fantasie.
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 ??  ?? Dieses Bild zeigt die Sprengung des Gebäudes im Jahr 1970. Die Straße am Kloster ist nach dem Namen benannt, den es im Volksmund trug.
Dieses Bild zeigt die Sprengung des Gebäudes im Jahr 1970. Die Straße am Kloster ist nach dem Namen benannt, den es im Volksmund trug.

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