Rheinische Post Opladen

Ratten am Bahnhof auf dem Vormarsch

Immer mehr Reisende beobachten, wie sich die Nager ungeniert breit machen. Experten sind alarmiert.

- VON PETER CLEMENT UND ANJA WOLLSCHLÄG­ER

LEVERKUSEN Wer am kleinen Blumenbeet vor dem Bahnhof Leverkusen-Mitte vorbeigeht, wird sie schnell entdecken: Dutzende Löcher, die offenbar von Ratten gegraben wurden. Ein Reisender hat sich nun wegen der Tiere an unsere Redaktion gewandt. „Ich bin kein zimperlich­er Mensch, aber der Anblick hat mich doch ziemlich schaudern lassen“, schreibt er.

Spät in der Nacht wollte der Reisende mit dem Zug von Gleis 1 abfahren. Dabei konnte er nach eigenen Angaben gut ein Dutzend Ratten auf der kleinen Grünfläche neben dem Bahnhof beobachten. Auf Handy-Videos ist zu sehen, wie die Nager munter nacheinand­er auf einer der grünen Mülleimer hüpfen, um sich Essensrest­e zu schnappen.

Nicht nur am Bahnhof klagen die Menschen über immer mehr Ratten. Auch an anderen Stellen im Stadtgebie­t sind die aggressive­n und intelligen­ten Nager auf dem Vormarsch.

Schuld daran tragen aus Sicht der Stadt Leverkusen vor allem die Fahrgäste: „Die Ursache liegt unter anderem darin, dass immer wieder Müll auf den anliegende­n Grünbereic­hen entsorgt wird, statt in den dafür vorgesehen­en Behältern“, teilt die Verwaltung auf Anfrage mit.

Der Deutsche Schädlings­bekämpferv­erband jedoch hat bereits vor Jahren die klammen Kassen der Kommunen als einen Grund für die Ausbreitun­g der Ratten ausgemacht: Früher seien Rattenrude­l in den Kanälen regelmäßig bekämpft worden, jetzt würden die Behörden oft nur noch aktiv, wenn Anwohner sich massiv beschweren.

Folge: Die Ratten bleiben in den Kanalsyste­men vielfach unbehellig­t, können sich ungestört vermehren. Rund 800 Nachkommen kann ein einziger Rattenbock innerhalb eines Jahres zeugen.

Nach Angaben der Stadt Leverkusen und der Deutschen Bahn wurden zuletzt im November Köderboxen in dem betroffene­n Wiesdorfer Bereich ausgelegt. Nun will die Verwaltung zusätzlich­e Maßnahmen zur Bekämpfung der Ratten am Bahnhof Wiesdorf prüfen.

Einfach ein paar Köder auslegen - damit ist es nach Auffassung der Experten schon lange nicht mehr getan. „Damit bringen Sie allenfalls ein paar Pioniertie­re um, die als ,Vorkoster’ für das Rudel unterwegs sind“, sagt beispielsw­eise Lukas Bartels. Er ist Staatlich geprüfter Schädlings­bekämpfer und Geschäftsf­ührer der Solinger Firma Rattex.

Sein Vater Rainer – Mitglied des IHK-Prüfungsau­sschusses für angehende Schädlings­bekämpfer – hat in Leverkusen schon mehrmals schwierige Situatione­n rund um Rattenpopu­la- tionen analysiert, wie etwa vor Jahren die Krise um das Grillen am Rheinufer in Hitdorf. „Sie müssen den Bau aufspüren“, sagt Lukas Bartels jetzt: „Nur wenn die Köder dort platziert werden, wo das gesamte Rattenrude­l auch tatsächlic­h frisst, gibt es eine reelle Chance. „Doch das koste Zeit – und Geld. Geld, das die Städte nicht haben. Die Undiszipli­niertheit vieler Menschen verschärft die Situation, wie Bartels aus Erfahrung weiß: „Wer Essensrest­e durch die Toilette spült und Müll achtlos wegwirft, sollte sich einmal vor Augen führen, „dass das einer Fütterungs­aktion gleichkomm­t“sagt der Schädlings­bekämpfer. Einer seiner Kollegen hat in Köln sogar mal gesehen, wie ein paar Leute Ratten vor einer Pommesbude aus der Hand gefüttert haben. Das seien doch putzige Tiere hieß es. Putzig? Da kann Bartels nur den Kopf schütteln. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts übertragen Ratten auch in Deutschlan­d eine Reihe gefährlich­er Krankheite­n wie Leptospiro­se, die zur Gelbsucht führen kann.

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FOTO: IBRAGIMOV (ARCHIV) Tagsüber meist unsichtbar – die Ratte.
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