Ein Freispruch und viele Ungereimtheiten
Ein zu Unrecht angeklagter Eritreer wird freigesprochen, doch die Frage nach dem wahren Täter bleibt.
LEVERKUSEN Viele Unklarheiten blieben nach einem Urteil gestern im Amtsgericht. Das Gericht sprach einen 36-jähriger Eritreer von dem Vorwurf frei, zwei 14-jährige Mädchen körperlich und sexuell missbraucht zu haben. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass stattdessen ein unbekannter Begleiter des Mannes für die Tat verantwortlich war.
Es ist unklar, was genau am 6. April 2017 gegen 23 Uhr an der Haltestelle Steinbüchel/Grüner Weg geschah. Laut Polizeibericht gab eine der Geschädigten an, dass zwei Männer sie und ihre Freundin verfolgt hätten. Der Begleiter des Eritreers soll der Freundin über die Wange gestreichelt und dabei die Worte „Sex“und „Geld“wiederholt haben. Als die Mädchen weglaufen wollten, hätte er einen dicken Ast aufgehoben und sie an den Beinen, den Armen und am Kopf verletzt. Die Freundin sei durch die Wucht des Schlages gestürzt. Der Eritreer schilderte einen ganz anderen Ablauf. Da der 36-Jährige nur wenig Deutsch spricht, dolmetschten sei- ne Anwälte für ihn. Die Mädchen seien ihm und seiner Begleitung gefolgt. An der Haltestelle hätten sie ein Messer und eine Schere aus ihrer Handtasche gezückt und Geld gefordert. Sonst würden sie die Polizei rufen. Sein Begleiter hätte sich daraufhin mit dem Ast gewehrt. Er selbst hätte einem der Mädchen noch 50 Euro übergeben. „Mein Mandant war besorgt wegen seiner Aufenthaltsgenehmigung“, so sein Anwalt. Gestürzt sei keine der Geschädigten.„Wir waren erst 14 Jahre alt, wie sollen wir zwei Männer überfallen?“, fragte die mittlerweile 15-jährige Zeugin. Sie verstrickte sich jedoch in Widersprüche. Erst sagte sie aus, sie hätte keine Handtasche dabei gehabt. Das dementierte sie, als die Richterin ihr ein Foto der Polizei zeigte, auf dem im Hintergrund eine Tasche liegt. Auch an ein weiteres Telefonat mit der Polizei erinnerte sich die Zeugin laut eigener Aussage nicht mehr, obwohl dieses Gespräch Grund für die Anklage des 36-Jährigen war. Nachdem klar wurde, dass der Angeklagte unschuldig ist, erfolgte der Freispruch. „Dabei stehen ist nicht strafbar“, so der Staatsanwalt. Doch viele Fragen blieben offen. Weshalb suchte die Polizei nicht nach Messer und Schere? Wieso rief erst ein zufällig auf sie aufmerksam gewordener Krankenwagen die Polizei? Und wo ist der Täter?
Die Ungereimtheiten waren auch nach dem Urteil weiterhin Thema. „Scheinbar kennen sich eines der Mädchen und der Täter“, sagte der Staatsanwalt und vermutete einen Zusammenhang. Viel bringen werden die Mutmaßungen nicht. „Wir kommen kaum an den Täter ran, da uns seine Identität unbekannt ist“, so die zuständige Richterin.