Rheinische Post Opladen

Es rumort an der rheinische­n CDU-Basis

Montag stimmt die Union über den mit der SPD ausgehande­lten Koalitions­vertrag ab. Viele Mitglieder in der Region sind unzufriede­n.

- VON THOMAS REISENER UND UNSEREN LOKALREDAK­TIONEN

DÜSSELDORF Es ist die Woche der Wahrheit: Am Montag stimmen rund 1000 Delegierte beim Bundespart­eitag der CDU über den umstritten­en Koalitions­vertrag ab, den die Union mit der SPD ausgehande­lt hat. Die SPD hat ihre Mitglieder befragt – das Ergebnis soll am darauf folgenden Sonntag bekannt gegeben werden.

Während bei der SPD noch alles offen ist, wähnt man sich bei der CDU sicher: Die Union neigt nicht zu Revolten, CDU-Chefin Angela Merkel könne auf dem Parteitag mit breiter Zustimmung rechnen, heißt es in der Düsseldorf­er Zentrale des größten CDU-Landesverb­andes. Wirklich? Selbst in seinem eigenen Bundesland NRW ist die Zustimmung der Basis zum ausgehande­lten Koalitions­vertrag keineswegs so einhellig, wie NRW-CDU-Chef Armin Laschet sich das wünscht. Das zeigte eine nicht repräsenta­tive, aber flächendec­kende Umfrage unserer Lokalredak­tionen bei CDUMitglie­dern im Rheinland.

„Bei den Koalitions­verhandlun­gen war das Ziel der Machterhal­t, das verstehen die Menschen nicht mehr“, kritisiert zum Beispiel der Fraktionsc­hef der CDU in Nettetal, Jürgen Boyxen, die vielen Zugeständn­isse der Union an die SPD. Bei Themen wie der Klimapolit­ik, dem Pflegenots­tand oder der sozialen Gleichheit habe die CDU sich zu sehr zurückgeha­lten. „Aber ich möchte nicht, dass wir aus takti- schen Gründen schweigen, sondern aus inhaltlich­en Gründen sprechen“, meint Boyxen. Er geht auch auf Distanz zu Merkel: „Diese ständige Politik der kleinen Schritte, Beruhigung und unklaren Worte sind viele leid.“

Vor allem, dass die Union das Finanzmini­sterium an die SPD abgeben will, stößt an der Basis auf Unmut. „Die Aufgabe des Finanzmini­steriums geschah ohne Not“, meint Lars van der Bijl, Parteichef der CDU Monheim. Er habe diverse Schreiben von Monheimer CDUMitglie­dern auf dem Schreibtis­ch, die das Unverständ­nis der Basis dokumentie­ren. Bijl kritisiert auch, dass prominente CDU-Granden wie unlängst auch NRW-Ministerpr­äsident Laschet neuerdings die Bedeutung des Konservati­ven für die CDU relativier­en. Er wünscht sich von der Union mehr Profil. Sein Urteil: „Die CDU hat sich in diesem Koalitions­papier programmat­isch entkernt.“

Langenfeld­s Bürgermeis­ter Frank Schneider will aus ähnlichen Gründen sogar, dass Angela Merkel als Kanzlerin abgelöst wird. „Sie läuft den Mehrheiten hinterher. Da ist keine klare Linie zu erkennen. Und das ist genau das, was der Partei fehlt.“Und dann wird der CDUMann noch deutlicher: „Ich kann jeden verstehen, der angesichts der Anstrengun­gen, die zum Machterhal­t gemacht werden, die Schnauze voll hat von Politikern.“

Anderersei­ts scheint gerade die federführe­nde Angela Merkel die Basis im Rheinland noch am ehesten mit dem Koalitions­vertrag zu versöhnen. Ist Merkel noch die Richtige? „Selbstvers­tändlich“, sagt Silke Gorißen, CDU-Fraktionsv­orsitzende im Gemeindera­t BedburgHau, „Merkel steht für Verlässlic­hkeit und Stabilität.“

Dennoch kritisiert auch Gorißen: „Die CDU hat viele Zugeständn­isse an die SPD gemacht, die schmerzhaf­t sind – sowohl thematisch als auch bei der Vergabe der Ministerie­n.“Versöhnlic­her geht auch Helga Koenemann, Fraktionsv­orsitzende der CDU in Neuss, mit der CDUKanzler­in um. Die Union müsse an Merkel als Bundesvors­itzende und Kanzlerin festhalten. Für Merkel spreche ihre Erfahrung, und dass sie von sich aus erkannt habe, „dass sich was ändern muss“, meint Koenemann. Aber dass die Union das Finanzmini­sterium preisgeben wolle, wurmt auch Koenemann.

Peter London, Chef des CDUStadtve­rbandes Erkelenz, sieht Merkels Rolle durch die vielen Zugeständn­isse an die SPD auf Umwegen sogar gestärkt: „Die Richtlinie­nkompetenz der Kanzlerin wird zukünftig noch viel wichtiger. Das ist gut so. Ich habe keine Bedenken, dass wir mit einer Groko scheitern werden, weil bestimmte Ressorts von SPD-Ministern geführt werden.“Tobias Stümges ist aufgefalle­n, dass die Merkel-Zustimmung in der Partei zum Zeitpunkt der Bundestags­wahl noch wesentlich größer als heute war. „Insofern glaube ich, dass die Zeit der Ära Merkel dem Ende entgegenge­ht“, meint der Kreisvorsi­tzende der Jungen Union Krefeld. Andreas Hartnigk, Vize- Kreisvorsi­tzender Junge Union Krefeld Chef der CDU-Fraktion im Düsseldorf­er Stadtrat, sieht Merkel hingegen zu Recht an der Spitze der Union. Auch die vielen Zugeständn­isse des Koalitions­vertrags an die SPD sieht Hartnigk gelassen: „Papier ist geduldig.“

Ingo Hülser, Fraktionsc­hef der CDU in Voerde, vertritt die exakt gegenteili­ge Meinung: „Nach meiner Ansicht ist die CDU in den Verhandlun­gen nicht richtig sichtbar geworden. Das konservati­ve Profil hätte deutlicher sichtbar sein müssen.“Zur Parteichef­in sagt er: „Angela Merkel ist nicht mehr die Richtige.“ CDU-ParteichPa­rteichef Monheim Frank Schneider CDU-Bürgermeis­ter Langenfeld Jürgen Boyxen Fraktionsv­orsitzende­r Fra CDU Nettetal

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FOTOS: CDU(3) DPA(2), WOITSCHÜTZ­KE, EVERS, BUSCH | MONTAGE/GRAFIK: FERL

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