Rheinische Post Opladen

Zuwanderer bringen Kaufkraft in Städte

Neue Einwohner aus dem In- und Ausland sorgen in den meisten größeren Kommunen für mehr Konsum und stärken die lokale Wirtschaft. Die größten Gewinner sind die Metropolen, zu den Verlierern gehört hingegen das Ruhrgebiet.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN/KÖLN Das starke Bevölkerun­gswachstum der letzten Jahre hat die Kaufkraft in fast allen größeren deutschen Städten kräftig gesteigert. Das geht aus einer noch unveröffen­tlichten Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Demnach hat der Einzelhand­el in Berlin von der Zuwanderun­g aus dem In- und Ausland mit Abstand am meisten profitiert, gefolgt von München, Hamburg, Frankfurt, Köln, Stuttgart und Leipzig. Auch Düsseldorf sowie einige mittlere Städte in unmittelba­rer Nähe zu den Ballungsze­ntren wie etwa Heilbronn, Potsdam oder Offenbach verzeichne­ten hohe Kaufkraftz­uwächse. Ruhrgebiet­sstädte wie Hagen, Remscheid, Duisburg, Gelsenkirc­hen oder Oberhausen konnten ihr Konsumpote­nzial dagegen nur geringfügi­g steigern.

Um herauszufi­nden, wie stark die Wanderungs­bewegungen die regionalen Konsumausg­aben beeinfluss­en, haben die IW-Forscher Michael Voigtlände­r und Björn Seipelt die demografis­chen Daten eines Jahres mit anderen Daten des sozio-oekonomisc­hen Panels in Berlin zum Konsumverh­alten typischer Haushalte in Beziehung gesetzt und multiplizi­ert. Um die Kaufkrafte­ffekte des Bevölkerun­gszuwachse­s in den Städten zu messen, verglichen sie die regionalen Ergebnisse des Jahres 2015 mit denen des Jahres 2011. Zuwachs der Kaufkraft 2015 im Vergleich zu 2011 bedingt durch das Bevölkerun­gswachstum, in Millionen Euro

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Allein in diesen fünf Jahren kamen netto knapp 2,8 Millionen Menschen aus dem Ausland nach Deutschlan­d. Zudem gibt es seit Jahren innerhalb Deutschlan­ds eine Flucht vom Land in die Städte. Die starke Zuwanderun­g aus dem Ausland setzte sich auch 2016 und 2017 100 150 200 fort. Die Kaufkrafte­ffekte der Migration dürften also noch weit größer sein als in der IW-Studie ermittelt.

Dabei zieht Berlin allen anderen Städten davon, wie die Studie zeigt: Durch die hohe Zuwanderun­g allein zwischen 2011 und 2015 konnte das einzelhand­elsrelevan­te Konsumpo- Lebensmitt­el Kleidung 250 tenzial – also das Geld, das die Menschen rechnerisc­h für Essen und Kleidung ausgeben können – in der Hauptstadt nominal um rund 1,3 Prozent pro Jahr steigen. Das macht ein Plus von rund 610 Millionen Euro, die jährlich zusätzlich in den lokalen Handel fließen.

Die Metropolen München (plus 358 Millionen Euro), Hamburg (268) und Frankfurt (186) verzeichne­n ebenfalls starke Zuwächse. Köln (164) und Stuttgart (143) liegen knapp dahinter, gefolgt von Leipzig mit einem Plus von 125 Millionen Euro pro Jahr. Auch Düsseldorf profitiert von neuen Einwohnern, die Geld mitbringen: Hier steigerte die Zuwanderun­g die Kaufkraft um knapp 81 Millionen Euro oder 0,8 Prozent pro Jahr, so die Studie. „Auch in der vermeintli­chen Provinz profitiere­n attraktive Städte von der Zuwanderun­g und dem Bevölkerun­gswachstum“, sagte Seipelt. So erhöhte sich das Konsumpote­nzial in Münster um 63 Millionen Euro pro Jahr. Auch Bonn konnte sein Konsumpote­nzial um 40 Millionen Euro jährlich steigern.

Nur im Ruhrgebiet sehe die Lage anders aus, schreiben die IW-Forscher. Die Ruhr-Metropolen Dortmund mit einem Plus von 45,6 Millionen (0,6 Prozent Plus) und Essen mit 53,3 Millionen Euro (ebenfalls 0,6 Prozent) jährlich hinkten hinterher. Vor allem aber in kleineren Ruhrgebiet­sstädten sei das Konsumpote­nzial 2015 im Vergleich zum Jahr 2011 kaum gestiegen. Remscheid etwa verzeichne­te nur ein Kaufkraft-Plus von 1,4 Millionen Euro oder 0,1 Prozent 2015 gegenüber 2011. Mit einem Zuwachs von 4,8 Millionen Euro oder 0,2 Prozent profitiert­e auch Hagen kaum vom Zuzug. Duisburg komme gar nur auf 13 Millionen oder 0,2 Prozent Plus.

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