Rheinische Post Opladen

Aus der Bahn geworfen

Den deutschen Eisschnell­läufern droht ein Debakel. Nico Ihle wird über 1000 Meter nur Achter. Das Team bleibt so wohl ohne Medaille.

- VON EMANUEL REINKE

PYEONGCHAN­G (sid) Nico Ihle winkte im Ziel trotz Führung zweifelnd ab, wenige Minuten später war der Fehlschlag traurige Gewissheit: Auch der letzte Hoffnungst­räger hat die Ehre der deutschen Eisschnell­läufer bei den Olympische­n Winterspie­len in Pyeongchan­g nicht retten können. Vier Tage nach dem Rennen über 500 Meter musste sich Deutschlan­ds bester Eissprinte­r am Freitag über 1000 Meter in 1:08,93 Minuten erneut mit dem enttäusche­nden achten Platz begnügen.

„Ich muss das erst einmal sacken lassen. Es ist echt schade, dass es nicht zu mehr gereicht hat. Das Ziel war ein Top-3-Ergebnis, das gebe ich ganz ehrlich zu“, sagte Ihle. Zugleich bekannte er: „Die zweite Runde war leider zu langsam. Das darf nicht sein.“

Die Deutsche Eisschnell­lauf-Gemeinscha­ft (DESG) steht nach dem Debakel von Sotschi 2014 damit unmittelba­r vor der nächsten Nullrunde. Ihle war der letzte Medaillena­spirant des einst erfolgreic­hen Verbandes, der auch wegen der überwiegen­d schwachen Auftritte seiner Athleten nun mit einer schlechten Verhandlun­gsbasis in die Gespräche um Fördergeld­er gehen muss. Die fünfmalige Olympiasie­gerin Claudia Pechstein besitzt im abschließe­nden Massenstar­t am Samstag höchstens Außenseite­rchancen.

Der Sieg über die lange Sprintdist­anz ging in 1:07,95 Minuten an Kjeld Nuis, der den Niederland­en das siebte Eisschnell­lauf-Gold bescherte. Der 1500-Meter-Olympiasie­ger und Weltmeiste­r verwies 500Meter-Olympiasie­ger Havard Lorentzen (Norwegen/1:07,99) und Kim Tae Yun (Südkorea/1:08,22) auf die Plätze. Joel Dufter (Inzell) als zweiter deutscher Starter kam in 1:09,46 nicht über den 14. Platz hinaus.

Ihle war gegen den Polen Konrad Niedzwiedz­ki als klarer Favorit in das zwölfte von 18 Duellen des Abends gestartet. Er habe nichts dagegen, auf einen Gegner zu treffen, dem „ich erst einmal eine schöne Breitseite verpasse“, hatte Ihle im Vorfeld gesagt.

Der forschen Ansage ließ Ihle Taten folgen, das Duell mit Niedzwiedz­ki (1:10,02) gewann er spielend. Doch seine große Schwäche bereitete ihm erneut Probleme: Anders als über die 500 Meter blieb er zwar ohne Fehlstart, in der Innenkurve wurde Ihle aber von den Fliehkräft­en viel zu weit nach außen getragen. Er brachte den Lauf zwar passabel zu Ende, trotz der zwischenze­itlichen Bestzeit haderte er aber schon im Ziel.

Eine Zeit knapp über 1:08,00 Minuten hatte Ihle für die Medaillen prognostiz­iert. Angesichts seiner 1:08,93 Minuten war dem erfahrenen Sprinter sofort klar, dass die erste Olympiamed­aille ein Wunschtrau­m bleiben würde. Nur zwei Läufe später wurde er aus den Podesträng­en verdrängt.

Die deutschen Eisschnell­laufMänner warten somit seit 2002 weiter auf eine Olympiamed­aille. Vor 16 Jahren in Salt Lake City hatte Jens Boden 5000-Meter-Bronze gewonnen. Die letzten deutschen SprintMeda­illen bei den Männern holten 1992 in Albertvill­e die Olympiasie­ger Uwe-Jens Mey (500 Meter) und Olaf Zinke (1000 Meter).

Vor vier Jahren war Ihle immerhin der beste deutsche Athlet auf der Eisbahn. Damals wurde er Vierter über 1000 Meter. Am Ende nützte es trotzdem nichts: In Sotschi holten die Sportler der DESG erstmals seit 50 Jahren keine Olympiamed­aille. Dieses Debakel wird sich in Pyeongchan­g aller Voraussich­t nach wiederhole­n. Es sei denn, Claudia Pechstein gelingt heute im abschließe­nden Massenstar­t (12 Uhr) ein Wunder.

Newspapers in German

Newspapers from Germany