Rheinische Post Opladen

Sah die Zeugin die Wehrhahn-Bombe?

Im Prozess gegen Ralf S. sagten gestern zwei Ex-Freundinne­n des Angeklagte­n aus. Was sie wirklich wissen, blieb offen.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Die Frau ist sicher: Ralf S. sitzt zu Recht auf der Anklageban­k. „In meinen Augen ist er’s gewesen“, sagt die 40-Jährige, kaum dass sie auf dem Zeugenstuh­l Platz genommen hat. „Er hat gesagt, er wird die hochjagen“, erinnerte sich die Verkäuferi­n. Das sei „in Richtung Ausländer gegangen“und ein Jahr vor dem Wehrhahn-Anschlag gewesen, bei dem am 27. Juli 2000 zehn überwiegen­d jüdische Sprachschü­ler teils schwer verletzt wurden.

Doch als der Vorsitzend­e Richter nachhakt, ist die Zeugin unsicher. Es müsse wahrschein­lich vor dem Anschlag gewesen sein, sagt sie schließlic­h. „Danach hätte es ja keinen Sinn mehr gehabt.“

Seit „1996 oder ‘97“waren der Angeklagte und die Zeugin ein Paar. In der Beziehung habe sie hauptsächl­ich getan, was S. anordnete. Das galt auch beim Thema WehrhahnAn­schlag. „Er hat gesagt, er sei unschuldig, also habe ich das geglaubt.“Zumal da der Anruf des Bekannten war, der sie an jenem Abend in der U-Bahn erreichte und ihr sagte: „Es hat einen Anschlag gegeben, der Ralf war’s nicht.“

In früheren Vernehmung­en hatte die Zeugin behauptet, an ihrem Arbeitspla­tz in Meerbusch vom Anschlag erfahren zu haben. Dass es in der U-Bahn kurz vor dem Tunnel war, sei ihr erst vor ein paar Tagen eingefalle­n, erklärt sie jetzt.

Die späten Erinnerung­en der Zeugin machen die Verteidigu­ng hellhörig. Denn auch an den Gegenstand, der etwas größer als eine Handgranat­e gewesen sei, einen geriffelte­n „Schildkröt­enpanzer“und ein Verbindung­sstück hatte, das aussah wie ein Kalkstoppe­r am Wasserhahn, hat sich die Zeugin erst erinnert, nachdem die Polizei sie vor zwei Jahren vernommen hatte. „Sie zeigten mir Bilder vom Nachbau der Bombe. Als ich nach Hause kam, habe ich gegrübelt, woher ich das Ding kenne. Dann fiel mir ein: Ich hatte es bei Ralf auf der Küchenbank gesehen.“

Damals habe sie sich keine Gedanken darum gemacht. Die kleine Wohnung an der Gerresheim­er Straße, die er für sich gemietet hatte, weil er plötzlich Abstand brauchte, und die sie sich eigentlich gar nicht hätten leisten können, sei ohnehin voll mit Gegenständ­en gewesen, so zugemüllt, dass man sie kaum habe betreten können. Sie sei auch nicht oft dort gewesen, höchstens drei oder vier Mal. Zuletzt kurz vor dem Anschlag – am Tag, an dem sie den „Gegenstand“bemerkt haben will.

Die 40-Jährige ist nicht gut auf S. zu sprechen. Der hat ihr Schulden hinterlass­en, weil sein pleite gegan- genes Unternehme­n auf sie eingetrage­n war. 60.000 Euro, die sie nicht zahlen kann, und für die sie den Offenbarun­gseid geleistet hat. Andere Schulden hat sie abgestotte­rt, beim Finanzamt und bei Lieferante­n. „Ich habe erst nach der Trennung erfahren, dass er auch in meinem Namen Sachen bestellt hatte.“Im Gericht erfährt sie gestern erst, dass auch die Autos, die S. in jener Zeit gefahren hat, auf sie zugelassen waren.

Erst als die Polizei sie über die neuen Indizien gegen Ralf S. informiert habe, sei sie zur Erkenntnis gekommen, dass ihr Ex-Gefährte der Täter sein müsse. Große Belastungs­bereitscha­ft aber hat sie nicht gezeigt. „Ich hatte Angst, dass er sich an mir rächt.“

Im Zeugenstan­d wird die Verkäuferi­n von einer anderen Frau abgelöst, die S. 2012 bei einer Partnerbör­se im Internet kennenlern­te. Sie berichtete erneut davon, dass Neonazi Sven S. ihr erzählt habe, dass „Ralf wollte, dass ich bezeuge, wo er war“. Von der Frage nach einem Alibi sei aber nie die Rede gewesen, wiederholt­e die Zeugin, was Sven S. bereits vergangene Woche ausgesagt hat, und mit dem sie in regelmäßig­em Kontakt steht.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Am Bahnhof Wehrhahn wurden im Juli 2000 zehn Menschen schwer verletzt.

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