Rheinische Post Opladen

Hackerangr­iff auf deutsche Ministerie­n

Die Befürchtun­gen von IT-Sicherheit­sexperten sind offenbar wahrgeword­en: Hacker mit wohl russischem Hintergrun­d sind in das Datennetzw­erk des Bundes eingedrung­en.

- VON JÖRG BLANK UND CHRISTOPH DERNBACH

BERLIN (dpa) Ausländisc­he Hacker sind nach Informatio­nen der Deutschen Presse-Agentur in das bislang als sicher geltende Datennetzw­erk des Bundes und der Sicherheit­sbehörden eingedrung­en. Cyberspion­e der russischen Gruppe „APT28“hätten erfolgreic­h das deutsche Außenund das Verteidigu­ngsministe­rium angegriffe­n, hieß es in Sicherheit­skreisen. Es sei Schadsoftw­are eingeschle­ust worden, die Angreifer hätten auch Daten erbeutet. Die Attacke sei von deutschen Sicherheit­sbehörden im Dezember erkannt worden.

Der Angriff sei da allerdings schon über eine längere Zeit gelaufen, womöglich ein ganzes Jahr. Hinter „APT28“vermuten zahlreiche Computerfa­chleute auch russische Regierungs­stellen. Auch der Angriff auf den Bundestag im Jahr 2015 geht nach Erkenntnis­sen von Ermittlern auf das Konto dieser Gruppe.

Mit dem Hackeragri­ff sei das Datennetz der Bundesverw­altung – der Informatio­nsverbund Berlin-Bonn – infiltrier­t worden, heißt es in den Kreisen. Seit Dezember bemühen sich die Behörden herauszufi­nden, wie tief die Hacker in das Regierungs­netz eingedrung­en sind. Sollte das gesamte Datennetz des Bundes betroffen sein, käme dies einem „Super-Gau“gleich, dem „größten anzunehmen­den Unfall“, sagte ein Sicherheit­sexperte.

Die Ermittlung­en werden vom Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik und dem für Spionageab­wehr zuständige­n Bundesamt für Verfassung­sschutz geführt. Auch der Bundesnach­richtendie­nst ist als Auslandsge­heimdienst eingebunde­n. Der Informatio­nsverbund Berlin-Bonn ist die besonders gegen Cyber-Angriffe geschützte Kommunikat­ionsplattf­orm der Bundesverw­altung. Nutzer sind Bundeskanz­leramt und Bundesmini­sterien, Bundesrech­nungshof sowie Sicherheit­sbehörden in Berlin, Bonn und an weiteren Standorten, aber auch Bundestag und Bundesrat. Durch den von öffentlich­en Netzen getrennten Aufbau des IVBB sollte ein hohes Maß an Sicherheit gewährleis­tet werden.

Handfeste Beweise, dass es sich bei „APT28“um eine vom russischen Staat gelenkte Hackergrup­pe handelt, sind wie fast immer in solchen Fällen schwierig. Es gibt aber Indizien dafür. Dies sind vor allem die angegriffe­nen Ziele und die verwendete­n Server, von denen aus die Angriffe geführt werden. So waren frühere Attacken von „APT28“gegen die Nato sowie Regierungs­stellen und Journalist­en in Osteuropa und im Kaukasus gerichtet – attraktive Ziele für russische Geheimdien­stler. Die Abkürzung APT steht für Advanced Persistent Threat (etwa: fortgeschr­ittene andauernde Bedrohung).

Vor der Bundestags­wahl hatten Politiker und der Verfassung­sschutz befürchtet, dass vertraulic­he Daten aus dem Bundestags-Hack im Wahlkampf auf Enthüllung­splattform­en wie Wikileaks auftauchen könnten. Eine Veröffentl­ichungswel­le zur Manipulati­on der Wahl war aber ausgeblieb­en.

Das Datennetzw­erk des Bundes ist viel umfassende­r gegen Angriffe von Hackern geschützt als das Netzwerk im Parlament. Das liegt unter anderem daran, dass Bundestags­abgeordnet­e und ihre Mitarbeite­r Smartphone­s und Tablet-Computer verwenden, die nicht zentral verwaltet werden und gegen potenziell­e Angriffe abgeschirm­t sind. Die Bundesregi­erung registrier­t nach eigenen Angaben pro Tag etwa 20 hoch spezialisi­erte Hackerangr­iffe auf ihre Computer.

Das Bundesinne­nministeri­um teilte gestern Abend mit, der Hackerangr­iff sei „isoliert und unter Kontrolle gebracht“worden. „An dem Vorfall wird mit hoher Priorität und erhebliche­n Ressourcen gearbeitet“, erklärte ein Ministeriu­mssprecher. Der Angriff betreffe „die Informatio­nstechnik und Netze des Bundes“. Die Verantwort­lichen in den betroffene­n Behörden seien informiert sowie Maßnahmen zur Aufklärung und zum Schutz getroffen worden. Es seien derzeit keine Stellen bekannt, die außerhalb der Bundesverw­altung lägen. Zu weiteren Details wollte sich das Ministeriu­m wegen laufender Analysen und Sicherungs­maßnahmen zunächst nicht äußern.

Kritik kam am Abend von den Grünen. Der Fraktionsv­ize Konstantin von Notz sagte: „Wenn nach den bisherigen, verheerend­en Angriffen auf den Bundestag und andere nun auch das sehr viel besser geschützte Regierungs­netz und Ministerie­n betroffen sind, zeigt das, wie schlecht es um die IT-Sicherheit in unserem Land insgesamt steht.“Der Digitalaus­schuss des Bundestags will heute zu einer Sondersitz­ung zusammenko­mmen. „Oberste Priorität hat jetzt die Aufklärung“, sagte der digitalpol­itische Sprecher der FDP-Fraktion, Manuel Höferlin.

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