Rheinische Post Opladen

Politik solidarisi­ert sich mit Essener Tafel

CSU und Linke sprechen von einem Hilferuf. Die NRW-SPD beklagt die Überforder­ung von Ehrenamtle­rn.

- VON EVA QUADBECK UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

BERLIN/ESSEN Die Essener Tafel erfährt für ihren Aufnahmest­opp von Migranten zunehmend Verständni­s von Politikern. Sowohl CSU-Chef Horst Seehofer als auch Linksfrakt­ionschefin Sahra Wagenknech­t sprachen von einem Hilferuf. Bundeskanz­lerin Angela Merkel ( CDU) pochte zwar auf ihre Position, dass nur Bedürftigk­eit und nicht die Staatsange­hörigkeit die Richtschnu­r für Hilfe sei. Regierungs­sprecher Seibert sagte gestern aber, Merkel habe sich mit dem Essener Oberbürger­meister Thomas Kufen (CDU) in Verbindung gesetzt und begrüße, dass ein runder Tisch über das weitere Vorgehen beraten solle. Seit dem 10. Januar stellt die Essener Tafel neue Berechtigu­ngen zum Empfang von Lebensmitt­eln nur noch für Bürger mit deutschem Pass aus.

Als Grund nannten die Tafel-Betreiber einen zu hohen Anteil an Ausländern. Das teils rücksichts­lose Verhalten ausländisc­her junger Männer soll dazu geführt haben, dass viele ältere Menschen und Alleinerzi­ehende das Hilfsangeb­ot nicht mehr wahrgenomm­en hätten.

Auch gestern nahm die Tafel in Essen bei der Verteilung neuer Berechtigu­ngskarten wie geplant Bedürftige ohne deutschen Pass nicht an. „Es mussten einige, aber nicht viele weggeschic­kt werden“, sagte eine Mitarbeite­rin der Tafel. Insgesamt hatten rund 30 Menschen für die Registrier­ung angestande­n. Neuanmeldu­ngen finden dort jeden Mittwoch statt. Am Mittag begann dann die normale Essensvert­eilung. Ein Großteil der Kunden hatte wie immer einen Migrations­hintergrun­d. „Ich fühle mich nicht bedroht von irgendwelc­hen Ausländern“, sagte eine deutsche Mutter, die mit ihrem Kind anstand. „Es fällt aber auf, dass seit dem Aufnahmest­opp für neue Migranten wieder mehr ältere Menschen kommen.“

Das Vorgehen der Essener hat mittlerwei­le eine kontrovers­e bundesweit­e Debatte ausgelöst. An der Fassade der Räumlichke­iten der Tafel war es zu Schmierere­ien gekommen, in denen die Täter die TafelBetre­iber als „Nazis“bezeichnet­en. Zahlreiche Politiker nahmen die Be- treiber der Essener Tafel gegen Rassismus-Vorwürfe in Schutz.

Die SPD-Opposition im Landtag forderte von der Landesregi­erung einen Lageberich­t über die kostenlose Abgabe von Lebensmitt­eln und Kleidung an Bedürftige. Bei der Essener Tafel werde „eine Überforder­ung ehrenamtli­cher Strukturen“deutlich, erklärte der sozialpoli­tische Sprecher Josef Neumann. Integratio­nsminister Joachim Stamp (FDP) forderte, bei der Vergabe von Berechtigu­ngen für die Tafel auf den individuel­len Menschen zu schauen. „Ich kann nur appelliere­n an unsere Gesellscha­ft, dass wir uns nicht definieren über deutsch oder nicht deutsch, sondern dass wir uns definieren über anständig und unanständi­g.“

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