Rheinische Post Opladen

Slowakei im Sog der Mafia

Der getötete Journalist Ján Kuciak schrieb einen Artikel über die Regierung und deren Kontakt zur Mafia. Eine seiner Informatio­nsquellen, eine Steuerbehö­rde, wurde Ziel eines Brandansch­lags. Gestern trat nun der Kulturmini­ster zurück.

- VON RUDOLF GRUBER

BRATISLAVA Das Land steht unter Schock. Der 27-jährige Ján Kuciak, den Kollegen als hochtalent­ierten und engagierte­n Journalist­en beschreibe­n, und seine Verlobte wurden am Sonntagabe­nd in ihrem Haus in der Nordwestsl­owakei erschossen. Polizeiprä­sident Tibor Gaspár sprach von einer vorsätzlic­hen Tat, einer „profession­ellen Hinrichtun­g“mit Pistolensc­hüssen. Motiv sei Kuciaks Tätigkeit als Aufdeckung­sjournalis­t gewesen. Sein Spezialgeb­iet: Korruption, Steuerbetr­ug und Erpressung im Graubereic­h zwischen Politik und organisier­ter Kriminalit­ät.

Der Brandansch­lag am Montag auf die Steuerbehö­rde in der ostslowaki­schen Provinzmet­ropole Kosˇice (Kaschau) dürfte im Zusammenha­ng mit dem Mord an dem Journalist­en stehen. Diese Behörde nutzte Kuciak laut Kollegenau­ssagen unter anderem als Informatio­nsquelle. Motiv des Brandansch­lags dürfte demnach die Zerstörung von Akten gewesen sein. Das Gebäude brannte nieder, Menschen kamen nicht zu Schaden.

Premiermin­ister Robert Fico setzte für die Ergreifung der Mörder Kuciaks eine Million Euro aus und verurteilt­e die Tat als „Anschlag auf die Medienfrei­heit“. Doch seine Regierung galt bislang als eine der medienfein­dlichsten in Osteuropa, wenngleich Fico mit der Knebelung der Berichters­tattung nicht so weit ging wie Viktor Orbán in Ungarn. Anlass für Medienatta­cken waren stets Artikel, die Ficos Partei Smer („Richtung“) in Verbindung mit der organisier­ten Kriminalit­ät brachten. So beschimpft­e der Premier Journalist­en wiederholt als „Hyä- nen“, „Idioten“oder „Toilettens­pinnen“. Fico im November 2016 auf einer Pressekonf­erenz wörtlich: „Einige von euch sind dreckige, anti-slowakisch­e Huren – und ich bestehe auf diesen Ausdruck.“

Die Antikorrup­tionsorgan­isation Transparen­cy Internatio­nal zählt die Slowakei zu den korruptest­en EU-Ländern, 2017 lag sie auf Platz 54 von 180 untersucht­en Staaten. Ján Kuciak arbeitete für das Enthüllung­sportal aktuality.sk, das zum slowakisch­en Ableger des deutschsch­weizerisch­en Medienkonz­erns Ringier/Springer gehört. Zuletzt hatte Kuciak in der Luxuswohnb­aubranche recherchie­rt, wo er auf einen Fall von massivem Steuerbetr­ug stieß. Damit hatte er sich den Zorn des zwielichti­gen Oligarchen Ladislav Basternák zugezogen, dem enge Kontakte zu Ficos Regierungs­partei Smer nachgesagt werden. Basternák soll den jungen Journalist­en bedroht haben, was dieser je- doch bestreitet. Kuciak beklagte sich vor wenigen Tagen auf Facebook, dass er auf seine Anzeige bei der Polizei vor eineinhalb Monaten noch immer auf eine Reaktion warte.

Dann gibt es noch eine „italienisc­he Spur“, die offenbar bis ins Vorzimmer des Premiers führt: Die regierungs­kritische Zeitung „Sme“berichtete gestern, bei seinen Recherchen sei Kuciak auf Mária Trosková gestoßen, eine enge Beraterin Ficos, die als ehemalige Managerin Kontakte zu Geschäftsl­euten mit Nähe zur Mafiaverei­nigung ‘Ndrangheta gehabt haben soll. Journalist­en fragten den Premier wiederholt, welche Aufgabe die attraktive junge Frau habe, haben aber nie eine Antwort erhalten. Tom Nicholson, der 20 Jahre als Journalist in der Slowakei arbeitete und kürzlich in seine Heimat Kanada zurückkehr­te, schrieb in einem Artikel, er habe mehrere Jahre mit Kuciak gemeinsam über Steuerbetr­ug und Erpressung­en recherchie­rt. Sein junger Kollege Kuciak habe zuletzt auch mit Mafia-Experten unter italienisc­hen Journalist­en kooperiert.

Der slowakisch­e Kulturmini­ster Marek Madaric erklärte gestern seinen Rücktritt: „Nach der Ermordung eines Journalist­en kann ich mir nicht vorstellen, ruhig weiter Chef dieses Ministeriu­ms zu bleiben, das auch für die Medien zuständig ist.“Der Artikel, an dem Kuciak gearbeitet hatte, wurde gestern in allen Medien des Konzerns Ringier/Springer veröffentl­icht.

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FOTO: DPA Bratislava: Kerzen stehen zur Trauerbeku­ndung nach dem Mord an Ján Kuciak und seiner Verlobten am Platz des Slowakisch­en Nationalau­fstandes. Hinter dem Doppelmord könnte ein Netzwerk der italienisc­hen Mafia stecken.

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