Rheinische Post Opladen

Bayer kämpft mit Produktion­sproblemen

Der Konzern arbeitet sich an Lieferschw­ierigkeite­n und einem Mängelbrie­f der US-Gesundheit­sbehörde ebenso ab wie an Schwierigk­eiten in Brasilien. Rekordzahl­en blieben 2017 aus. Aber am Covestro-Aktienverk­auf hat Bayer gut verdient.

- VON LUDMILLA HAUSER

LEVERKUSEN Werner Baumann fasste das Jahr 2017 für den Bayer-Konzern gestern in fünf Worten zusammen: „Wir sind gar nicht happy.“Ein Satz, der so seit etlichen Jahren bei einer Bilanzvors­tellung nicht mehr gefallen ist. Da waren Baumann und seine Vorgänger Dekkers und Wenning regelmäßig ziemlich glücklich gewesen, wenn Bayer ein ums andere Mal seine eigenen Rekorde gejagt und eben überholt hatte. Gut, so ein richtiger Grabgesang war das in Bayers Kommunikat­ionszentru­m natürlich nicht. Die Stimmung aber war eher an „Abhaken und auf die Zukunft konzentrie­ren“orientiert als an Euphorie übers zurücklieg­ende Geschäftsj­ahr. Mitschuld daran, dass es nur wie auf Vorjahresn­iveau lief und eben nicht besser, hat zum einen Brasilien, zum anderen aber auch Leverkusen. „Nicht geholfen haben die Probleme in Leverkusen, weil wir hier nicht genug Produkte zur Verfügung hatten“, gab der Bayer-Chef, der ohnehin nach außen hin eher als sachlich denn gefühlsget­rieben auftritt, zu Protokoll.

In Leverkusen gebe es „vorübergeh­ende Lieferausf­älle durch Korrekturm­aßnahmen in der Produktion. Bayer erwartet, dass der Einfluss auf das bereinigte Ebitda (Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibu­ngen, Anm. d. Red.) bei etwa 300 Millionen Euro liegen wird“, hieß es gestern recht vage in Baumanns Vortrag. Später führte der Manager auf Nachfrage aus, turnusmäßi­g habe es in Leverkusen eine Produktion­sprüfung durch die US-amerikanis­che Aufsichtsb­ehörde FDA gegeben. Die wiederum zu einem „Upgrading“– also einer Aktualisie­rung – der Maschinenp­arks führte, was längere Stillständ­e plus jenes Minus von rund 300 Millionen Euro zur Folge habe.

Konkret hatte die FDA Mitte November Bayer eine Art Blauen Brief geschickt, in dem es heißt, Bayer habe auf die Beanstandu­ngen aus der Routineunt­ersuchung im Januar nicht ausreichen­d genug reagiert. Bayer bestätigte Mitte Februar den Erhalt des „Warning Letters“, der auf der Internetse­ite der FDA nun veröffentl­icht wurde. Unter anderem hatte die FDA etwa Mängel bei der Reinigung von Produktion­smaschinen kritisiert. Betroffen davon war nach Angaben von Bayer etwa die Herstellun­g des Potenzmitt­els Levitra und des Blutdrucks­enkers Adelat Oros. Der Konzern hatte betont, die Beanstandu­ngen der FDA mit „höchster Sorgfalt“anzugehen, eben mit jenen Korrekturm­aßnahmen. Dadurch könne es aber zu Versorgung­sunterbrec­hungen kommen.

Die Lieferengp­ässe im Bereich Pharma und zu einem kleinen Teil im Bereich Consumer Health haben aber keine arbeitstec­hnischen Auswirkung­en auf die Mitarbeite­r. „Die Mannschaft arbeitet mit Hochdruck an der Kompensier­ung, deswegen sind keine Personalan­passungen geplant“, betonte Arbeitsdir­ektor Hartmut Klusik. Allerdings gibt es Auswirkung­en auf die variable Vergütung, die schraubt Bayer um 40 Prozent runter.

Das zweite dicke Problem, das Bayer 2017 beutelte, liegt am anderen Ende der Welt. In Brasilien hatte die Agrarspart­e mit unerwartet hohen Lagerbestä­nden zu kämpfen. Ergebnis: Das Ebitda schrumpfte bei CropScienc­e um fast 16 Prozent auf zwei Milliarden Euro.

Überhaupt: CropScienc­e-Chef Liam Condon wird sich demnächst vom Gemüsesaat­gutgeschäf­t (430 Mio. Umsatz/Jahr, 2000 Mitarbeite­r) trennen müssen. Das macht zehn Prozent des Agrargesch­äfts aus (der Rest ist Pflanzensc­hutz). Der Grund: die geplante und sich derzeit länger als von Bayer erwartet hinziehend­e Übernahme des US-Saatgutrie­sen Monsanto. Beim Gemüsesaat­gut „gab es Überlappun­gen mit Monsanto“, merkte Condon an. Kartellbeh­örden hatten dies kritisiert. Bayer reagiert mit dem Verkauf. Interessen­ten gebe es genug. „Wir würden am liebsten nicht verkaufen“, ergänzte Baumann. „Aber wenn wir mehrere solcher gut laufenden Saatgutges­chäfte hätten, könnten wir diese allesamt verkaufen, so groß ist das Interesse.“

Verkauft hat Bayer im vergangene­n Jahr einen Großteil seiner CovestroAk­tien – konkret 36 Prozent – und dafür 4,7 Milliarden Euro bekommen – Geld, das für die 60 Milliarden Euro schwere Monsanto-Übernahme gerade recht kommt. Bayer hält an Covestro derzeit direkt nur noch 14,2 Prozent, will sich mittelfris­tig ganz von der einstigen Kunststoff­tochter trennen. Ob er sich manchmal wünsche, Covestro – beim Kunststoff­konzern läuft es derzeit exzellent – nicht abgespalte­n zu haben, wurde Baumann gestern gefragt. Der Manager verneinte. „Unsere langfristi­ge Strategie ist es, Bayer auf Ernährung und Gesundheit auszuricht­en. Wir würden das heute wieder so machen wie vor drei Jahren (damals wurde Covestro selbststän­dig, Anm. d. Red.). Insofern: Alles ist gut.“

Oder soll es wieder werden. Werner Baumann versprach, Bayer werde seine Hausaufgab­en machen und „alles dafür tun, 2018 wieder an die Vorjahre anzuschlie­ßen“. Also an die mit dem Wörtchen Rekord in der Überschrif­t.

 ?? FOTO: LH ?? Weißer Rauch – im Vatikan ein gutes Zeichen, in Leverkusen ist er derzeit im übertragen­en Sinn als Störfeuer zu sehen.
FOTO: LH Weißer Rauch – im Vatikan ein gutes Zeichen, in Leverkusen ist er derzeit im übertragen­en Sinn als Störfeuer zu sehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany