Rheinische Post Opladen

„Der größte Chemie-Cluster der Welt“

Vor einem Jahr wurde die „Metropolre­gion Rheinland“gegründet. Wir sprachen mit Geschäftsf­ührer Ernst Grigat über Ziele, kommunale Egoismen und die Macht des Rheinlands als eine der größten Wirtschaft­sregionen der Welt.

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Der Gründungsp­rozess der Metropolre­gion hat neun Jahre gedauert. Sind die Zentrifuga­lkräfte so groß, dass es so lange dauert, sich in einem Verein zusammenzu­raufen?

GRIGAT Der Eindruck trügt. Wenn man so viele Player unter einem Dach vereint, dann dauert es einfach, dann braucht man etwas Geduld. Das Projekt hatte im Gegenteil viel Unterstütz­ung; auch auf Regierungs­bezirkeben­e. So haben die Regierungs­präsidenti­nnen von Köln und Düsseldorf, Gisela Walsken und damals Anne Lütkes, die Gründung sehr unterstütz­t, auch wenn die Behörden aus rechtliche­n Gründen keine Mitglieder des Vereins sein dürfen.

Wenn es aber um Pflege und Ansiedlung von Unternehme­n geht, ist sich doch jede Kommune selbst am Nächsten. Krefeld und Meerbusch kriegen ja kaum ein gemeinsame­s Gewerbegeb­iet an der A 44 hin, obwohl alle Fachleute sagen, dass es ideal wäre und gut für viele wertige Arbeitsplä­tze.

GRIGAT Der Blick auf die Entwicklun­g von einzelnen Gewerbegeb­ieten ist nicht unser Ansatz; das machen ja bereits die Kommunen und deren Wirtschaft­sförderer, und da mischen wir uns auch nicht ein. Auch deshalb, weil eine der Devisen bei der Gründung der Metropolre­gion war: Keine Doppelarbe­it. Uns geht es um regionweit­e Rahmenbedi­ngungen wie die Infrastruk­tur.

Dafür sind Land und Bund zuständig. Hat eine Region wie das Rheinland quasi dazwischen oder unterhalb dieser Regierungs­ebenen eine Stimme?

GRIGAT Das ist der Punkt: Die Kommunen haben als Einzelstim­men weniger Chancen, gehört zu werden; das Land NRW wiederum plant nicht in der Tiefe und den Details, wie wir das als Region brauchen. Hier haben wir bereits erste Erfolge. Wir haben als Metropolre­gion eine gemeinsame Stellungna­hme zum Bundesverk­ehrswegepl­an ausgearbei­tet, von der sehr vieles übernommen worden ist und den Plan so noch einmal deutlich verbessert hat. Das lag auch daran, weil wir mit dem Gewicht des Rheinlande­s in diese Gespräche gegangen sind. Wenn eine Stadt wie beispielsw­eise Krefeld allein Eingaben gemacht hätte, hätte das voraussich­tlich weniger Berücksich­tigung gefunden. Doch mit dem Gewicht von elf kreisfreie­n Städten plus zwölf Kreise plus die Region Aachen hat es dazu geführt, dass Dinge aufgenomme­n worden sind, die wir gemeinsam in der Region brauchen und die untereinan­der abgesproch­en waren.

Was macht das Rheinland zur Metropolre­gion, wo liegt das Gewicht, wenn man so will: die Macht des Rheinlande­s?

GRIGAT In seiner Wirtschaft­skraft. Im Rheinland findet man einen ein- Grundstoff­industrie in der Chemie und im Metallbere­ich mit Aluminium und Stahl. Damit ist das Rheinland die Chemieregi­on Europas, und wenn man dann noch Flandern und die Niederland­e mit Antwerpen und Rotterdam dazu nimmt, ist es sogar der größte Chemie-Cluster der Welt. Darauf aufbauend, gibt es weitervera­rbeitende Industrie mit Tausenden gut aufgestell­ten Mittelstän­dlern mit vielen „Hidden Champions“also „versteckte­n“(im Sinne von wenig bekannten) Marktführe­rn, die weltweit klasse sind; dazu kommen mehrere Automobilw­erke wie Ford in Köln und Mercedes in Düsseldorf. Wir haben auch viele Zentralen von Autobauern, wie etwa Toyota in Köln oder Mazda in Leverkusen. Das ist die Grundlage für die Wertschöpf­ung. Das Rheinland hat den großen Charme, dass es nicht auf einer einzelnen Industrie aufsetzt. Die Stärke ist die Vielfalt – das Spektrum ist weit und reicht bis hin zur Lebensmitt­elindustri­e am Niederrhei­n.

Und warum braucht diese kraftstrot­zende Region eine Vertretung?

GRIGAT Weil all das alles andere als selbstvers­tändlich ist. Es stimmt: Das Rheinland ist seit langem er- Nachbarreg­ion Ruhrgebiet. Vielleicht ist das ein Grund, warum sich das Rheinland so viel später als Metropolre­gion gegründet hat. Umso wichtiger ist es, dass das jetzt passiert ist. Davon geht das Signal an die Politik auf Landes- und Bundeseben­e aus: Achtet auf das Rheinland; es ist der industriel­le Motor Deutschlan­ds; damit er weiterläuf­t, haben wir Bedürfniss­e und Anforderun­gen.

Bei der Gründung hieß es, es gehe auch um Identität. Was ist wichtiger: Harte Wirtschaft­spolitik oder der doch eher weich klingende Faktor Identitäts­stiftung.

GRIGAT Beides steht gleichrang­ig nebeneinan­der und hat auch miteinande­r zu tun. Internatio­nal gibt es Regionen wie Shanghai oder New York mit jeweils mehr als zehn Millionen Menschen. Weltweit ist der Rhein ein Begriff, vielleicht noch Köln und Düsseldorf. Aber die Metropolre­gion Rheinland hat 8,6 Millionen Einwohner mit hoher Wirtschaft­skraft und Bedeutung für Deutschlan­d. Wenn man so auftreten kann, ist man auf Augenhöhe mit Shanghai und New York.

Sind nicht die herausrage­nden Player doch wiederum zu egoistisch, um

GRIGAT Das brauchen sie ja gar nicht. Die großen Namen sollen weiter große Namen bleiben und ihre Zugkraft behalten; es geht darum, diese Zugkraft für die ganze Region zu nutzen. Das nützt am Ende allen und nimmt keinem einzelnen Player die Bedeutung. Es geht darum, dass Investoren, die vielleicht in den Ballungsrä­umen Köln und Düsseldorf nicht zum Zuge kommen, nicht nach Sachsen-Anhalt oder in die Niederland­e abwandern, sondern im Rheinland bleiben.

Ist für das Rheinland Europa oder der globale Markt von Bedeutung?

GRIGAT Der Fokus mag eher auf Europa liegen. Das heißt aber auch, dass das Rheinland eine starke Investitio­nsregion für Chinesen ist. Wir müssen letztlich auch nach China schauen.

Was kennen Chinesen vom Rheinland? Ich schätze mal: Köln und die Loreley.

GRIGAT Nicht nur: Ich bin immer wieder überrascht, wie genau Chinesen die deutsche Bundesliga kennen. Leverkusen und Mönchengla­dbach sind dort bekannt, sogar bis zur Platzierun­g in der Tabelle, aber ohne dass man die Städte verorten kann. Insofern bietet Fußball

Wo liegt Ihr Hauptaugen­merk beim Blick nach innen. Welches Problem ist vordringli­ch im Rheinland?

GRIGAT Ganz klar die Mobilität. Jeder, der sich im Rheinland bewegt, weiß das. Wir drängen darauf, Konzepte für die Infrastruk­tur und Mobilität zu entwickeln. Eine Idee ist das Rheinlandt­icket: dass man sich also mit einem einzigen Ticket möglichst flexibel im Rheinland bewegen kann.

Es gibt die Metropolre­gion seit einem Jahr. Worin lag der Schwerpunk­t Ihrer Arbeit am Start?

GRIGAT Ein wichtiger Punkt war es sicher, Kontakte zu knüpfen. Ich kenne einen Teil der Akteure in der Region aus meiner Zeit als Chempark-Leiter, einen Teil aber auch nicht. Zur Metropolre­gion gehört zum Beispiel der ganze Niederrhei­n, also auch die Kreise Kleve, Viersen und Wesel oder Städte wie Mönchengla­dbach. Ein Ziel ist es, auch auf Verwaltung­sebene besser zusammenzu­arbeiten. Ich habe die Erfahrung gemacht: Das passiert allein schon dadurch, dass man in Gremien zusammenko­mmt. Es ist fasziniere­nd zu sehen, wie viel passiert, wenn Menschen sich treffen und miteinande­r reden.

Jens Voss führte das Gespräch

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RP-FOTO: T.L. „Davon geht das Signal an die Politik auf Landesund Bundeseben­e aus: Achtet auf das Rheinland; es ist der industriel­le Motor Deutschlan­ds“– Ernst Grigat, Geschäftsf­ührerder Metropolre­gion Rheinland, über die Botschaft an die Politik.

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