Die feministische Heilsgeschichte
Der Film „Maria Magdalena“wagt eine Neubewertung der biblischen Figur. Regisseur Garth David bleibt dabei allerdings allzu zaghaft.
Maria Magdalena hat in der Bibelauslegung der katholischen Kirche eine vielfältige Deutung erfahren. Galt sie im frühen Christentum noch als gleichberechtigte „Apostolin der Apostel“, wurde Maria Magdalena unter Papst Gregor dem Großen im 7. Jahrhundert zur prototypischen Büßerin stigmatisiert, die sich voller Reue über ihre fleischlichen Sünden Jesus und seinen Jüngern anschloss. Das Bild der geläuterten Prostituierten hielt sich als sexistische Projektionsfläche hart-
Der Film zeigt: #MeeToo war auch vor 2000 Jahren schon ein Thema
näckig in der christlichen Kultur und bildete das religiöse Fundament für ein Frauenbild, das polarisierend in „Heilige“und „Huren“unterteilt.
Erst 2016 hat Papst Franziskus ein Rehabilitationsverfahren für Maria Magdalena eingeleitet und sie den Aposteln wieder gleichgestellt. Ihr komme als Zeugin und Verkünderin der Auferstehung Jesu eine Schlüsselposition unter den Jüngern zu. Nun nimmt sich Hollywood auf der alljährlichen Suche nach einem Osterstoff für sein christliches Zielgruppenpublikum der Angelegenheit an.
Garth Davis’ „Maria Magdalena“reist zurück ins Jahr 33 v. Chr., in dem Maria Magdalena (Rooney Mara) in ihrem Dorf am See Genezareth als Geburtshelferin tätig ist und sich dem familiären Vermählungsdruck entschieden entzieht. Als sie sich weigert, den Witwer Ephraim (Tsahi Halevi) zu heiraten, unterzieht ihr Bruder Daniel (Denis Ménochet) sie einer gewaltsamen Dämonenaustreibung. Da passt es gut, dass Jesus (grenzwertig: Joaquin Phoenix) mit seinen Jüngern gerade in der Gegend ist, der nicht nur die Nähe zu Gott predigt, sondern auch persönliche wie gesellschaftliche Veränderung einfordert. Als einzige Frau schließt sich Maria Magdalena den Jüngern an. „Sie wird unsere Gemeinschaft spalten“, sagt Petrus (Chiwetel Ejiofor), und die männliche Gefolgschaft blickt eifersüchtig auf die rein spirituelle Nähe zwischen der Frau und ihrem Messias. Erotische Kontakte, wie sie Martin Scorsese in „Die letzte Versuchung Christi“unterstellt hat, bleiben hier außen vor.
Stattdessen stellt Maria Magdalena Kontakte zur weiblichen Fanbasis her, und wenn die Wäscherinnen von den erlittenen Vergewaltigungen erzählen, zeigt der Film, dass #MeeToo vor 2000 Jahren auch schon ein Thema war. Aber Davis („Lion“) schreckt davor zurück, Maria Magdalena vollends zur feministischen Heldin zu stilisieren. Mit viel Augenkontakt und wenig Dialogmaterial zeichnet Rooney Mara sie als überzeugte Gläubige und Gefolgsfrau, die unter den Jüngern isoliert bleibt.
Während die hitzköpfigen Jungs auf einen Aufstand hin zum versprochenen „Königreich“hoffen, erinnert Maria Magdalena an die Friedensbotschaft des Messias. Im Reigen der cineastischen Passionsspiele ist „Maria Magdalena“vor allem ein Gegengift zu Mel Gibsons Kreuzigungsspektakel „Die Passion Christi“. Bewertung: