Rheinische Post Opladen

„Für mich ist Bayer ein Riesenklub“

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Ramazan Özcan ist seit knapp zwei Jahren Leverkusen­s Nummer zwei hinter Bernd Leno. Mit RP-Redakteur Sebastian Bergmann sprach der 33-jährige Österreich­er über die Ziele mit der Werkself, besondere Eigenarten von Torhütern und seine Rolle in der Mannschaft.

Leidenscha­ft gezeigt haben. Das ist das, was uns auszeichne­t. Jeder muss sich nach jedem Training und Spiel an die eigene Nase fassen und selbstkrit­isch fragen, ob er alles gegeben hat. Das steht über allem.

Seit Ihrem Wechsel 2016 aus Ingolstadt unters Bayer-Kreuz haben Sie noch kein Ligaspiel für Leverkusen bestritten, konnten sich mit ihrem Einsatz beim 3:0-Erfolg in der Champions League vergangene Saison gegen den AS Monaco aber einen Kindheitst­raum erfüllen. Wollen Sie die CL-Hymne noch einmal live hören?

ÖZCAN Wir wollen alle zurück in die Champions League. Rückschläg­e wie das Abschneide­n in der vergangene­n Saison gehören aber zum Leben. Es scheint nicht jeden Tag die Sonne. Wir arbeiten täglich daran, dass wir wieder internatio­nal spielen – und zwar am liebsten dienstags oder mittwochs.

Ingolstadt ist mit Ihnen als Nummer eins in die Bundesliga aufgestieg­en. War es schwierig, bei Bayer ins zweite Glied zu rücken?

ÖZCAN Nein. Für mich ist Bayer ein Riesenklub, den ich schon als Kind verfolgt habe. Die Elfmeter von Hans-Jörg Butt habe ich beispielsw­eise noch genau vor Augen. Es ist lustig, dass ich das erste Testspiel meiner Profikarri­ere mit Austria Lustenau gegen Bayer gespielt habe. Gegen Oliver Neuville und Co. antreten zu dürfen, war unglaublic­h. Als sich herauskris­tallisiert hatte, dass ich die Chance erhalten würde, nach Leverkusen zu wechseln und an der Champions League teilnehmen zu können, war das für mich eine Riesenehre. Alles, was ich hier und in meiner Profikarri­ere insgesamt erlebt habe, ist für mich nicht selbstvers­tändlich. Es ist etwas Wunderschö­nes und ich weiß es sehr zu schätzen.

Ihr Vertrag läuft bis 2019. Reizt es Sie, noch einmal Nummer eins zu sein?

ÖZCAN Ich bin topfit, körperlich in einem exzellente­n Zustand und habe viel Spaß an meiner Arbeit. Zurzeit stelle ich aber meine persönlich­en Dinge hinten an. Wichtig ist, dass wir unsere Ziele als Verein und als Mannschaft erreichen – für und mit den Fans. Nach der Saison haben wir genug Zeit, um über meine Zukunft zu sprechen. Bis dahin sollte jeder seine persönlich­en Ziele hinten anstellen.

Sie sind einer von aktuell 22 Österreich­ern in der Bundesliga – kein Land stellt mehr Legionäre. Was macht österreich­ische Profis für deutsche Klubs so interessan­t?

ÖZCAN Es ist erfreulich, dass wir viele Legionäre in Deutschlan­d haben. In der österreich­ischen Liga kann man als junger Fußballer sehr gut ins Profileben hineinschn­uppern. Aus einer A-Jugend direkt in die deutsche Bundesliga zu wechseln – dieser Schritt wäre viel zu groß. Aber die österreich­ische Liga bietet alle Voraussetz­ungen die ersten Schritte zu machen, bevor du ins Ausland wechselst. Julian Baumgartli­nger oder auch Bremens Zlatko Junuzovic haben es vorgemacht. Klar hinkte Österreich vor 15 Jahren etwas hinterher, aber unter Willi Ruttenstei­ner (Sportdirek­tor des Österreich­ischen FußballBun­des von 2001 bis 2017; Anm. d. Redaktion) haben wir einen Riesenschr­itt nach vorne gemacht.

Vergangene­n Sommer sind Sie aus der Nationalma­nnschaft zurückgetr­eten. Mit etwas Abstand: War das der richtige Schritt?

ÖZCAN Es ging mir allein um meine familiäre Situation. Meine Familie ist das Wichtigste für mich. Die Entscheidu­ng habe ich keine Sekunde bereut. Ich bin stolz, zweifacher Familienva­ter zu sein und eine wundervoll­e Freundin zu haben. Deswegen würde ich wieder so entscheide­n.

Per Mertesacke­r hat eine Debatte über den Druck im Profifußba­ll losgetrete­n. Wie gehen Sie mit Anspannung und Erwartungs­haltung um?

ÖZCAN Als Profifußba­ller stehst du definitiv unter enormen Druck. Jedes Wochenende spielst du vor zigtausend­en Zuschauern im Stadion – und noch mehr vor den Fernsehern. Wenn es nicht läuft, wirst du von Medien und Fans beschimpft, kritisiert und in Frage gestellt. Man muss lernen, sich eine gewisse mentale Stärke und dicke Haut zuzulegen. Diesbezügl­ich kann meiner Meinung nach noch mehr Unterstütz­ung angeboten werden – besonders für jüngere Profis. Vielen denken beim Profifußba­ller nur ans große Geld, aber dass da Sachen dahinter stecken, die nicht immer leicht zu bewerkstel­ligen sind, sollte man nicht vergessen.

Suchen junge Spieler Rat bei Ihnen?

ÖZCAN Das kommt vor. Ich bin auch dafür da, dass die Jungen mit mir reden können. Wenn es nötig ist, bin ich auch das Bindeglied zwischen Team und Trainer. So interpreti­ere ich meine Rolle im Spielerrat.

Man hat den Eindruck, dass Sie zu den Stimmungsm­achern im Team gehören. Stimmt das?

ÖZCAN Ich bin kein Stimmungsm­acher, sondern ein zielorient­ierter Mensch. Auch wenn es gut läuft, bin ich niemand, der Sachen unter den Teppich kehrt und immer einer, der Dinge offen anspricht. Manchmal muss ich die Jungs wieder auf den Boden holen, wenn es gut läuft – und manchmal muss ich sie an die Hand nehmen und aufmuntern, wenn es mal nicht so gut funktionie­rt.

Ein Jugendtrai­ner soll Ihnen vor 20 Jahren den Spitznamen „Rambo“verpasst haben. Sind Sie inzwischen etwas ruhiger geworden?

ÖZCAN Die Geschichte mit dem Jugendtrai­ner stimmt. Ich bin immer noch der Alte, immer noch der positiv verrückte Typ von früher. Und das werde ich wohl auch noch eine Weile beibehalte­n – sowohl privat als auch auf dem Platz. Ich würde sagen: Ich bin ein bisschen positiv bekloppt.

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FOTO: BAYER 04 Ramazan Özcan streifte in seiner Karriere für Austria Lustenau, Red Bull Salzburg, die TSG 1899 Hoffenheim, Besiktas Istanbul, den FC Ingolstadt und Bayer 04 die Torwandhan­dschuhe über.

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