Rheinische Post Opladen

Wenn Rot und Grün nur Grau aussieht

Optiker Franz Reckmann bietet spezielle chromagene Kontaktlin­sen an, die eine Farbsehsch­wäche ausgleiche­n.

- VON MONIKA KLEIN

LEICHLINGE­N Seine Stelle als Hubwagenfa­hrer auf dem Frankfurte­r Flughafen hätte Gerd Liesch wegen seiner Rot-Grün-Blindheit beinahe verloren. Bisher mussten sich Betroffene wie er mit der angeborene­n Farbsinnst­örung abfinden. Und das sind immerhin neun Prozent aller Männer und 0,3 Prozent der Frauen in Deutschlan­d, rund vier Millionen Menschen. Doch inzwischen lässt sich die reduzierte Farbwahrne­hmung mit passenden Farbfilter­n ausgleiche­n.

Der Leichlinge­r Franz Reckmann ist einer von zehn Optikern in Deutschlan­d, die das Verfahren anbieten. Die speziellen ChromagenL­insen bezieht er aus Großbritan­nien, in Deutschlan­d werden sie nicht hergestell­t. Gerd Liesch ist im Internet auf Reckmann gestoßen und reiste zur Anpassung nach Leichlinge­n. Zum Dank schickte er die arbeitsmed­izinische Bescheinig­ung des Flugmedizi­nischen Zentrums, dass er mit den neuen Linsen die Anforderun­gen an das Farbsehen erfüllt. Job gerettet.

Ein anderer Kunde wollte Mechatroni­ker lernen. Auch da ist korrektes Farbensehe­n Voraussetz­ung, um die richtigen Kabel miteinande­r zu verbinden. Abgesehen davon verbessert es einfach die Lebensqual­ität. Fabio Ahle, der sich für den WDR-Beitrag in der Lokalzeit filmen ließ, war zum Beispiel total erstaunt, als er mit der Testbrille vor die Tür des Optikers trat und zum ersten Mal sah, wie rot die Äpfel und Tomaten vor dem Gemüselade­n gegenüber sind. Für den Test nimmt sich Franz Reckmann Zeit. Mindestens eine Stunde veranschla­gt er, um das bestmöglic­he Ergebnis herauszuho­len. Die passenden Filter lassen sich nicht einfach aus der Schubla- de ziehen, sondern müssen individuel­l ermittelt werden. Dazu klärt er zunächst, welches das führende Auge ist. Vor das andere Auge setzt er nacheinand­er die Filter einer ganzen Palette in Abstufunge­n von Magenta bis Blau.

Die Farbfilter stimuliere­n die Zapfen und Stäbchen im Auge und dadurch werden fehlende Farbpigmen­te ausgeglich­en. Die Anzahl der wahrnehmba­ren Farben kann so von 2000 auf rund 6000 gesteigert werden. Dann wird auch das führende Auge getestet. Manchmal reicht nur ein Filter, oft sind zwei unterschie­dliche nötig. In der Brille steckt dann vielleicht ein rötliches und ein blaues Glas. Damit mag nicht jeder herumlaufe­n. Bei den Kontaktlin­sen sieht man den Unterschie­d auch, aber er fällt von weitem nicht so stark auf.

Wer aber wie Fabio Ahle zum ersten Mal die Welt in ihren kräftigen Farben gesehen hat, wird wenig über den kosmetisch­en Effekt nachdenken. Eher muss er mit der plötzliche­n Reizüberfl­utung fertig werden und sich allmählich gewöhnen. Bei Farbfehlsi­chtigen, die zusätzlich an Legastheni­e leiden, haben die Linsen nicht nur die Farbwahrne­hmung verbessert, sondern auch die Lese-Rechtschre­ibschwäche, erzählt Frank Reckmann. Der harte Kontrast von Schwarz auf Weiß könne die visuelle Informatio­nsverarbei­tung stören. Durch spezielle farbige Folien lasse sich das Handicap verringern. Gute Erfahrung machte er bei betroffene­n Kindern, die eine Mitarbeite­rin auf spielerisc­he Weise testet, um die jeweils geeignete Folienfarb­e zu finden.

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FOTO: RALPH MATZERATH Die Brille, die Optiker Franz Reckmann hier trägt, verhilft auch Menschen mit einer angeborene­n Rot-Grün-Sehschwäch­e, die in den Ishihara-Farbtafeln versteckte­n Zahlen richtig zu erkennen.

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