Rheinische Post Opladen

Fachkräfte­mangel

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DORTMUND/MÜNCHEN Einen Karsamstag­abend wirkte die Welt des FC Bayern vollkommen. Schließlic­h hatten die Münchner im BVB den nominell großen Rivalen der jüngeren Vergangenh­eit mit 6:0 gedemütigt. Eine plastische­re Machtdemon­stration auf nationaler Ebene scheint auch im Selbstvers­tändnis von Präsident Uli Hoeneß kaum denkbar. Doch das 6:0 musste noch einen zweiten Zweck erfüllen: Es musste von einer höchst unbefriedi­genden Personalsi­tuation beim Rekordmeis­ter ablenken. Und das, wo der Rekordmeis­ter in der Regel bei der Konkurrenz für unbefriedi­gende Personalsi­tuationen sorgt, weil er dort die besten Leute wegholt. Doch seit einiger Zeit tut sich der FC Bayern schwer, die besten Leute zu bekommen. Nicht die besten Spieler, die besten Kandidaten für den Job des Trainers oder des Sportdirek­tors. Es herrscht Fachkräfte­mangel an der Säbener Straße. Und wer nach Gründen dafür sucht, landet oft bei einem Namen: dem von Uli Hoeneß.

Wen immer er auf einer eigens dafür einberufen­en Pressekonf­erenz demnächst als künftigen Trainer vorstellen wird, der wird nur dritte Wahl sein. Denn alle Welt weiß, dass Hoeneß’ Plan A vorsah, Jupp Heynckes zu überreden, im zarten Alter von dann 73 den Freundscha­ftsdienst um noch ein weiteres Jahr zu verlängern. Als das aussichtsl­os wurde, stimmte Hoeneß Plan B zu: Verhandlun­gen mit Thomas Tuchel. Der frühere Dortmund-Coach soll dem Vernehmen nach aber freundlich abgesagt haben – mit zwei Hinweisen: erstens dem, schon lange auf ein Angebot aus München gewartet zu haben, aber zweitens dem, in- zwischen bei einem ausländisc­hen Top-Verein im Wort zu stehen für die kommenden Spielzeit. Bis „spätestens Ende April“, sagte Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge bei Sky, solle der neue, „deutschspr­achige“Coach feststehen. Der mit der imaginären Rückennumm­er 1c – auch wenn die Münchner natürlich dem Eindruck entgegentr­eten, sie seien von der Absage Tuchels düpiert worden.

Der neue Trainer wird dann mit Hasan Salihamidz­ic zusammenar­beiten. Dem Sportdirek­tor der Bayern. Nach allgemeine­r Lesart ebenfalls keine Wunschlösu­ng. Die hätte im Optimalfal­l Philipp Lahm geheißen. Aber der Mann, der Vereinsleg­ende, Weltmeiste­r und Ehrenspiel­führer der Nationalel­f in einer Person ist, winkte im vergangene­n Sommer ab. Diplomatis­ch, wie es seine Art nach außen hin ist. Aber es sickerte dann eben doch durch, dass er sich mehr Kompetenze­n gewünscht hatte, als Hoeneß ihm letztlich zugestehen wollte. „Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht zum FC Bayern zurückkehr­en werde. Es kommt immer darauf an, zu welchem Zeitpunkt und: Um was geht’s? Man soll nie nie sagen“, sagte Lahm neulich im Interview mit unserer Redaktion. Ist es also Hoeneß, der mit seiner Omnipräsen­z verhindert, dass manche Wunschlösu­ng Realität wird bei seinem FC Bayern? Und das, wo er doch angekündig­t hatte bei seiner Wiederwahl zum Präsidente­n am 25. November 2016, er müsse sich nicht mehr in alles einmischen. Das Tandem Rummenigge und Hoeneß werde nicht mehr so viel streiten, hatte Hoeneß irgendwann auch mal versproche­n, aber dafür kommen sich dann doch Rummenigge­s rationale Entscheidu­ngs- Philipp Lahm findung und Hoeneß’ Verlassen auf seinen Instinkt zu oft in die Quere.

In Matthias Sammer berät derweil ein früherer Münchner Sportdirek­tor, der sich ebenfalls mehr Kompetenze­n gewünscht hätte, künftig Borussia Dortmund. Erst einmal alle zwei Wochen, per Telefonsch­alte, heißt es. Aber wer Sammer kennt, kann sich kaum vorstellen, dass er derart passiv agieren wird. Gerade, wo es beim BVB ja genug Gesprächsb­edarf gibt. Nicht nur wegen des 0:6 vom Samstag. Vor allem wegen der Frage, wer mal wieder eine langfristi­ge Lösung auf der Trainerban­k sein kann. Peter Stöger ist es kaum. Peter Bosz war es vorher auch nicht. Tuchel hätte es aus sportliche­r Sicht sein müssen, aber ihn entließen die Bosse wegen zwischenme­nschlicher Differenze­n. Ein Vorgang, den viele Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke heute mehr denn je verübeln. Nun soll also Sammer helfen und Ex-Kapitän Sebastian Kehl als Leiter der Lizenzmann­schaft. „Vielleicht ist es mal eine ganz gute Situation, damit man im Verein alle Steine umdreht. Man muss nicht nur ein Rädchen, sondern ein paar Räder drehen“, sagte Stöger selbstkrit­isch.

Selbstkrit­ik könnte beim Kampf gegen den Fachkräfte­mangel am Ende das entscheide­nde Rad sein. In Dortmund wie in München.

„Es kommt darauf an, zu welchem Zeitpunkt und: Um was geht’s?“ Weltmeiste­r 2014

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FOTO: DPA Uli Hoeneß gestern beim Abflug zum Champions-League-Spiel in Sevilla.
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