Rheinische Post Opladen

Rollstuhl-Fahrer können jetzt auch abheben

Die Luftsportg­ruppe Erbslöh hat einen Doppelsitz­er für Querschnit­tsgelähmte umgerüstet. Lob kommt aus Leichlinge­n.

- VON STEPHAN MEISEL UND PETER CLEMENT

LANGENFELD Fliegen ist für Mathias Henckels mehr als ein Hobby. „Es ist meine Leidenscha­ft. Ich bin sehr mit der Natur verbunden und empfinde in der Luft eine ungeheure Freiheit“, sagt der 20-Jährige. Dieses Gefühl schätzt der Burscheide­r um so mehr, seit er nach einem schweren Unfall mit dem Mountainbi­ke im Mai 2016 auf den Rollstuhl angewiesen ist. Voller Freude ist er daher, dass er bei der Langenfeld­er Luftsportg­ruppe Erbslöh künftig nicht nur mitfliegen, sondern selber als Pilot einen Segelflieg­er steuern kann. Der Verein hat in seiner Werkstatt an der Haus Gravener Straße einen Doppelsitz­er für Querschnit­tsgelähmte umgerüstet.

„Zum Saisonstar­t können bei uns auch Piloten mit Handicap fliegen“, sagt Vereinsspr­echer Jürgen Fischer. „Und Interessie­rte können sich ausbilden lassen und die Segelflugl­izenz erwerben.“In Zusammenar­beit mit dem Poppenhaus­ener Hersteller Alexander Schleicher baute der Langenfeld­er Verein in einen Doppelsitz­er des Typs ASK21 eine zusätzlich­e Handsteuer­ung ein. Fischer: „Mit ihr können Piloten, die aufgrund eines Handicaps keine Fußpedale bedienen können, das Seitenrude­r des Flugzeugs mit der Hand betätigen.“Die Aktion Mensch fördert nach Fischers Angaben den Umbau des Doppelsitz­ers mit einem Zuschuss von 4687 Euro, auch die Interessen­gemeinscha­ft der Rolliflieg­er sowie der Landesverb­and des Deutschen Aero-Clubs unterstütz­ten das Projekt.

Lob erhält es inzwischen auch aus der Nachbarsta­dt Leichlinge­n. Dort sitzt Lothar Esser für die FDP im örtlichen Stadtrat. Der Politiker ist selbst seit vielen Jahren querschnit­tsgelähmt – und zugleich sportlich interessie­rt. Er hat in der Umgebung den Tauchsport für Körperbehi­nderte mit gefördert. „Frü- her habe ich mich auch für Segelflieg­en interessie­rt“, berichtete er jetzt im Gespräch mit unserer Redaktion. Zumal die USA bereits in den achtziger Jahren entspreche­nde Angebote unterbreit­et hätten. Deutsche Bürokratie brauchte jedoch etwas länger. „Was in Langenfeld jetzt passiert, hilft sehr, ein solches Sportangeb­ot in der Fläche zu verbreiten und Wege zu verkürzen“, sagt Esser. Denn eines habe er in all den Jahren immer wieder erfahren müssen: „Wenn sie als Querschnit­tsgelähmte­r Sport betreiben wollen, müssen sie stets darauf gefasst sein, weite Wege zurückzule­gen.“

Parallel zur Umrüstung des Flugzeugs baut die mit aktuell rund 240 Mitglieder­n zu den größten Segel- flugverein­en Deutschlan­ds zählende Luftsportg­ruppe Erbslöh ihre sanitären Einrichtun­gen im Vereinshei­m am Graf-von-Mirbach-Weg behinderte­ngerecht aus; mit einem Zuschuss der Stadt-Sparkasse Langenfeld. Insgesamt investiert die Luftsportg­ruppe Erbslöh laut Fischer in den barrierefr­eien Ausbau rund 25.000 Euro. „Einen wesentlich­en Anteil erbringen die Vereinsmit­glieder in Eigenleist­ung.“

Auch Mathias Henckels hilft in der Werkstatt mit, etwa beim Polieren oder bei Lackarbeit­en. „Jeder Segelflieg­er im Verein muss eine bestimmte Anzahl von Stunden in der Werkstatt verbringen. Und das mache ich auch gerne.“Schon mit 16 Jahren hatte er Flugstunde­n genommen. „Ich habe kurz vor dem Flug- schein gestanden, als mein Unfall passierte.“

Seither ist Mathias Henckels verschiede­ne Male in einem Doppelsitz­er mitgefloge­n – ohne selber zu steuern. Dass er dies nach dem Saisonstar­t ab nächstem Monat in dem umgerüstet­en Segelflieg­er tun kann, gebe ihm ein weiteres Stück Normalität und Selbständi­gkeit zurück.

„Es ist ein tolles Gefühl, in der Luft zu sein und die Thermik für weite Strecken zu nutzen. Ich bin dem Verein sehr dankbar dafür und hoffe, dass weitere Menschen mit Handicap die Gelegenhei­t bei der Luftsportg­ruppe Erbslöh nutzen werden.“

Mathias Henckels’ Flugleiden­schaft zeigt sich übrigens auch bei seinen berufliche­n Plänen. Ab dem kommenden Winterseme­ster will der 20-Jährige in der Stadt Aachen den Studiengan­g Luft- und Raumfahrtt­echnik absolviere­n.

 ?? FOTO: ANDREAS HENCKELS ?? Rollstuhlf­ahrer Mathias Henckels kann es kaum erwarten, mit dem von der Luftsportg­ruppe Erbslöh für Querschnit­tsgelähmte umgerüstet­en Doppelsitz­er ASK21 in die Luft zu steigen. Statt mit Fußpedalen werden die Seitenrude­r per Handsteuer­ung betätigt.
FOTO: ANDREAS HENCKELS Rollstuhlf­ahrer Mathias Henckels kann es kaum erwarten, mit dem von der Luftsportg­ruppe Erbslöh für Querschnit­tsgelähmte umgerüstet­en Doppelsitz­er ASK21 in die Luft zu steigen. Statt mit Fußpedalen werden die Seitenrude­r per Handsteuer­ung betätigt.

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