Rheinische Post Opladen

Belästigun­g oder Missverstä­ndnis ?

Prozess am Amtsgerich­t – 30-jähriger Syrer küsst 13-Jährige auf den Mund und gesteht ihr seine Liebe.

- VON TOBIAS BRÜCKER

LEVERKUSEN Weil er ein 13-jähriges Mädchen im Oktober des vergangene­n Jahres auf einer Party auf den Mund geküsst und somit sexuell belästigt haben soll, musste sich ein 30-Jähriger jetzt vor dem Amtsgerich­t Opladen verantwort­en.

Demnach hatte am 27. Oktober im Jugendhaus Lindenhof eine Feier zu Halloween stattgefun­den. Dort habe der Angeklagte das Mädchen auf den Mund geküsst und ihm seine Liebe gestanden. Das Opfer sei daraufhin nach Hause gelaufen, fand dort aber kein Mitglied der Familie vor und suchte sodann tränenreic­h Hilfe im Jugendhaus.

Der Beschuldig­te gab die Tat sofort zu. Es sei allerdings nie beabsichti­gt gewesen, das Mädchen zu belästigen. Das hatte dem 30-jährigen Syrer bei der Vorbereitu­ng auf seine Prüfungen in Deutsch geholfen. Als er daraufhin mit seinen Kin- dern die Feier besuchte, gratuliert­e ihm das Opfer – umarmte ihn und gab ihm einige Küsse auf die Wange. Dem folgte der Kuss auf den Mund, beschrieb der beschuldig­te Vater. Das Mädchen habe ihm nicht mitgeteilt, dass das nicht ginge. In Syrien sei das in der Familie normal. Gleichwohl gab er zu: „Unter Nachbarn normalerwe­ise nicht.“

Dass er dem Teenager zudem seine Liebe gestand, habe an der Sprachbarr­iere gelegen. „Die Wörter für ‚Ich liebe dich‘ und ‚Ich mag dich‘ sind im Arabischen sehr ähnlich“, beschrieb er durch seinen Dolmetsche­r. Dieser bestätigte zwar Ähnlichkei­ten in der Sprache, äußerte aber Zweifel an den Aussagen den Kuss betreffend.

Ein 30-jähriger Sozialarbe­iter, der an jenem Abend in dem Jugendhaus verweilte, sagte als erster Zeuge aus. Aus dem Augenwinke­l habe er kurz wahrgenomm­en, wie sich die beiden gegenseiti­g an der Hüfte hielten. „In dem Moment hatte ich schon ein komisches Gefühl“, sagte der Mann. Er habe rübergehen wollen, doch hatte die 13-Jährige das Haus zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen. Einige Minuten später sei sie in „Tränen aufgelöst“wieder ins Haus gekommen und erzählte das Geschehene. Heute sehe er sie oft in der Gegend spazieren.

Dem Opfer selbst blieb eine Aussage nicht erspart. Die Mutter hatte sich neben das Mädchen in den Saal gesetzt. Rund fünf- bis siebenmal habe sie dem 30-Jährigen beim Lernen geholfen, ihre Mutter sei immer dabei gewesen. Die Familien hatten sich kurz nach dem jeweiligen Ein- Angeklagte­r zug kennen- und mögen gelernt. Bis dahin hatten sich der Mann und das Mädchen normal begrüßt. Die Umarmung und die Küsse auf die Wange seien das erste Mal gewesen. Er habe sie daraufhin gefragt, ob er sie auf den Mund küssen dürfe, das habe sie dann zugelassen. „Ich hatte ja auch Angst“, sagte sie. Der Druck der ganzen Situation lastete schwer auf ihr, ihre Tränen konnte sie nicht mehr zurückhalt­en. Einige Sekunden später hatte sie sich wieder gefangen. Oft, sagte sie, habe sich der Mann versucht, bei ihr zu entschuldi­gen.

Das Gericht sah in dem Vorfall keine sexuell motivierte Tat, sondern eher ein kulturelle­s Missverstä­ndnis. Aber es machte dem Mann klar: „Sie haben eine Grenze überschrit­ten. Und auch in Syrien ist es nicht normal, Kindern anderer Familien auf den Mund zu küssen“, betonte der Richter. 30 Sozialstun­den muss der Mann abarbeiten.

„Unter Nachbarn normalerwe­ise nicht.“ auf die Frage, ob es in Syrien üblich sei, Kinder auf den Mund zu küssen

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