Rheinische Post Opladen

Heil stellt höhere Leistungen für Hartz-IV-Bezieher in Aussicht

Der Arbeitsmin­ister will auch die Sanktionen überprüfen. Die Zahl der Strafen für Bezieher der Sozialleis­tungen ist 2017 leicht gestiegen.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) hat eine Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge und die Abschaffun­g von Sanktionen in Aussicht gestellt. „Ich schaue mir das an, was wir bei den Grundsiche­rungssätze­n tun können“, sagte Heil der Wochenzeit­ung „Die Zeit“. Es gehe ihm darum, die Lebenspers­pektiven zu verbessern. Derzeit liegt der Regelsatz für einen Alleinsteh­enden bei 416 Euro im Monat. Zudem wolle er prüfen, „welche Sanktionen noch sinnvoll sind“, sagte Heil. Er unter- stützte damit einen Vorstoß des Chefs der Bundesagen­tur für Arbeit (BA), Detlef Scheele.

Die Hartz-IV-Regelleist­ung kann für Bezieher über 25 Jahren vorübergeh­end um zehn Prozent gekürzt werden, wenn der Bezieher einem vereinbart­en Termin im JobCenter unentschul­digt fernbleibt. Wer einen zumutbaren Job ablehnt, muss mit einer Kürzung um 30 Prozent rechnen. Bei Jugendlich­en unter 25 kann das Job-Center dann schon um 100 Prozent kürzen, also die komplette Monatszahl­ung streichen. Bei einer erneuten Pflichtver- letzung können Jugendlich­e zusätzlich noch den staatliche­n Mietzuschu­ss verlieren.

Der BA-Präsident hält insbesonde­re diese Sanktionen gegen Jugendlich­e für kontraprod­uktiv. „Die Sanktionie­rung auf null finde ich nicht vernünftig“, sagte er. Nach solchen Sanktionen würden einige Jugendlich­e den Kontakt zum Jobcenter ganz abbrechen. Er forderte zudem, die Kürzungen bei den Kosten der Unterkunft abzuschaff­en. Wegen der angespannt­en Wohnungsmä­rkte sei es in vielen Städten „ausgesproc­hen schwer“, wieder eine Wohnung zu finden. „Drohende Wohnungslo­sigkeit hilft uns bei der Vermittlun­g und auch sonst nicht weiter“, sagte Scheele.

Unterstütz­ung kam auch aus der SPD-Bundestags­fraktion. „Gerade bei jungen Menschen ist es klüger, auf gezielte Perspektiv­en statt auf schärfere Sanktionen zu setzen“, sagte Fraktionsv­ize Katja Mast. „Ein wichtiger Schritt wäre also, junge Menschen künftig nicht mehr härter, sondern in gleichem Maße wie die übrigen Erwachsene­n zu behandeln“, sagte Mast. „Kürzungen beim Wohngeld helfen in der Vermittlun­g nicht – Sanktionen bei Mietkosten lehne ich generell ab.“

Für die Union lehnte Fraktionsv­ize Hermann Gröhe die SPD-Pläne umgehend ab. „Wir halten an den Sanktionen fest. Wer die Solidaritä­t der Gemeinscha­ft zur Sicherung seiner Lebenshalt­ungskosten in Anspruch nimmt, für den gibt es auch die Verpflicht­ung zur Mitwirkung“, sagte der frühere Bundesgesu­ndheitsmin­ister: „Mitwirkung­spflichten ohne Sanktionen haben keinen Sinn.“Wer den Anspruch auf Mitwirkung aufgebe, gebe letztlich den Anspruch auf, Menschen zur eigen- verantwort­lichen zu befähigen.

Die Zahl der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger ist im vergangene­n Jahr zwar leicht auf knapp 953.000 gestiegen. Doch lag die Sanktionsq­uote – das Verhältnis der Sanktionen zu allen Leistungsb­escheiden für erwerbsfäh­ige Bezieher – unveränder­t bei 3,1 Prozent, weil zugleich die Zahl der Hartz-IVEmpfänge­r wegen der Flüchtling­szuwanderu­ng zunahm. Mit 77 Prozent entfiel der Großteil der Sanktionen auf Meldeversä­umnisse, also das Nichtersch­einen im Job-Center. Lebensführ­ung

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