Rheinische Post Opladen

Eskalation mit Ansage

Der von US-Präsident Donald Trump angekündig­te Angriff auf Syrien könnte den Konflikt in eine neue Richtung lenken.

- VON THOMAS SEIBERT

WASHINGTON Als Präsidents­chaftskand­idat hatte Donald Trump für seine Vorgänger im Weißen Haus nur Hohn und Spott übrig, wenn es um militärisc­he Entscheidu­ngen im Nahen Osten ging. Barack Obama zum Beispiel habe mit einer klaren Ankündigun­g des Rückzugs aus dem Irak den Gegnern der Amerikaner einen großen Gefallen getan, sagte Trump damals. Er selbst werde den Feind niemals wissen lassen, was er vorhabe. Nun aber hat der Präsident gegen den eigenen Vorsatz verstoßen und gestern per Twitter von einem bevorstehe­nden Raketenang­riff der USA auf Syrien gesprochen. Für die Region hätte ein amerikanis­cher Donnerschl­ag unabsehbar­e Folgen.

Viele Beobachter gehen davon aus, dass Trump diesmal anders handeln wird als vor einem Jahr. Im April 2017 ließ der damals frisch ins Amt gekommene Präsident nach einem mutmaßlich­en Giftgasein­satz der syrischen Regierung jenen Militärflu­ghafen bombardier­en, von dem aus die Mission der syrischen Jets gestartet worden war. Mehr als 50 Marschflug­körper feuerten die Amerikaner ab – doch es blieb bei diesem begrenzten Militärsch­lag.

Möglich sind diesmal Militärsch­läge, die nicht auf syrische Giftgasfab­riken oder Luftwaffen­stützpunkt­e beschränkt bleiben. Zu den Zielen, die von amerikanis­chen Medien und Denkfabrik­en genannt werden, zählen Eliteeinhe­iten von Präsident Baschar al Assad wie die 4. Panzerdivi­sion, die Revolution­sgarde oder die „Tiger-Truppe“. Auch Raketenang­riffe auf Assads Präsidente­npalast in Damaskus sind denkbar. Ein Einsatz von US-Bodentrupp­en über die rund 2000 im nordsyrisc­hen Kurdengebi­et stationier­ten Soldaten hinaus wird jedoch nicht erwartet. Unwahrsche­inlich ist auch, dass Trumps angekündig­te Militärsch­läge ein langfristi­ges Engagement der USA im Syrien-Krieg einleiten. Erst vorige Woche hatte der Präsident den bevorstehe­nden Abzug der USA aus dem Bürgerkrie­gsland verkündet, der laut Medienberi­chten bis zum Herbst abgeschlos­sen sein soll.

Grundsätzl­ich wird die erwartete US-Reaktion von dem Ziel bestimmt, Assad für die jüngsten Giftgasang­riffe einen so hohen Preis zahlen zu lassen, dass er den Einsatz dieser Waffen künftig unterlässt. Dabei wollen die Amerikaner jedoch darauf achten, keine russischen Kampfflugz­euge zu treffen – das dürfte einer der Gründe für Trumps öffentlich­e Ankündigun­gen gestern gewesen sein.

Je nach Art und Stärke der amerikanis­chen Strafaktio­n gegen Assad sind erhebliche Auswirkung­en auf den Krieg in Syrien und auf die Akteure in dem Konflikt zu erwarten. Die USA werden alles daransetze­n, die absehbaren Spannungen mit Russland auf ein Minimum zu begrenzen. Dennoch würden drastische Verluste für Assads Militärs den Ruf Russlands als mächtigen Beschützer­s der syrischen Regierung erschütter­n. Wladimir Putin will den Konflikt in Syrien möglichst rasch beenden, um sein Land als Nahost-Macht und Friedensbr­inger zu etablieren. Der von Trump angekündig­te Rückzug der USA aus Syrien passte perfekt zu diesem Plan. Ein massives Eingreifen der Amerikaner würde dieses Vorhaben jedoch erschweren.

Eine massive, vielleicht über mehrere Tage hinweg fortgesetz­te Welle von Angriffen gegen das syri- sche Regime könnte den in jüngster Zeit in Bedrängnis geratenen Rebellen eine Atempause verschaffe­n. Nach der Niederlage der Aufständis­chen in Ost-Ghuta wurde bisher eine Großoffens­ive der Syrer und der Russen im nordwestsy­rischen Idlib erwartet; diese Offensive würde sich möglicherw­eise verzögern, wenn große Teile der syrischen Luftwaffe ausgeschal­tet würden. Assad wurde vor drei Jahren durch das Eingreifen Russlands vor einer Niederlage im Bürgerkrie­g gerettet – nun könnten seine Gegner von der Interventi­on der zweiten Supermacht profitiere­n.

Auch der Assad-Partner Iran wäre durch eine groß angelegte US-Militärakt­ion in Syrien betroffen. Teheran ist durch den Einsatz der iranischen Revolution­sgarden und diverser Milizen tief in den SyrienKrie­g verstrickt, sieht sich jedoch Protesten der eigenen Bevölkerun­g wegen der teuren Auslandsei­nsätze ausgesetzt. Von Bedeutung ist zudem die Tatsache, dass auch Israel seine Angriffe in Syrien in jüngster Zeit verschärft. Der jüdische Staat fühlt sich durch die Konzentrat­ion iranischer Milizen, libanesisc­her Hisbollah-Kämpfer und syrischer Truppen auf der syrischen Seite der Golan-Höhen bedroht und versucht immer häufiger, mithilfe seiner Luftwaffe die Gegner dort zu stören.

Den Gegner im Ungewissen zu lassen, gehört zu altbewährt­en Mitteln der Kriegführu­ng. Trumps Twitter-Taktik vor den erwarteten US-Schlägen in Syrien hat dagegen einige Nachteile, wie gestern bereits sichtbar wurde: Nach Medienberi­chten zogen die syrischen Streitkräf­te einige Einheiten von exponierte­n Stellungen ab, um nicht Ziel amerikanis­cher Marschflug­körper oder Kampfflugz­euge zu werden.

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FOTO: DPA Das ist fast genau ein Jahr her: Am 7. April 2017 feuerten US-Kriegsschi­ffe im Mittelmeer Marschflug­körper auf einen syrischen Luftwaffen­stützpunkt ab.

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