Rheinische Post Opladen

Ein Rücktritt nährt die Hoffnungen der US-Demokraten

Paul Ryan, der republikan­ische Vorsitzend­e des Repräsenta­ntenhauses, tritt nicht mehr an. Das Ende seiner Karriere muss das nicht sein.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Es gab eine Zeit, da war Paul Ryan der charismati­sche Hoffnungst­räger der amerikanis­chen Konservati­ven. Da wurde er gehandelt als Präsidents­chaftskand­idat des Jahres 2020, zumindest für den Fall, dass sich Donald Trump im Oval Office blamieren und die Republikan­ische Partei nach personelle­n Alternativ­en Ausschau halten würde. Umso überrasche­nder kommt nun die Nachricht über seinen bevorstehe­nden Rücktritt.

Auch wenn er zuletzt nur noch selten im Rampenlich­t stand, vom medial omnipräsen­ten Präsidente­n wie viele andere auch an den Rand gedrängt – Rückzugsge­danken hatte Ryan in der Öffentlich­keit nicht einmal angedeutet. Gestern aber ließ der Vorsitzend­e des Repräsenta­ntenhauses seine Parteifreu­nde im Parlament wissen, dass er beim Kongressvo­tum im November nicht mehr antreten wird. Er brauche mehr Zeit für seine Familie. Ryans Frau und die drei gemeinsame­n Kinder, 16, 15 und 13, leben nach wie vor in Wisconsin. Er wolle nicht, dass die Kids ihren Vater über weite Strecken nur aus der Ferne erleben, sagte er nach einem Bericht der „New York Times“seinen Kollegen.

Der Speaker ist nicht der erste Republikan­er, der mit Blick auf die „Midterm Elections“das Handtuch wirft. Mehr als 40 Abgeordnet­e haben bereits klargemach­t, dass sie sich nicht zur Wiederwahl stellen. Allerdings ist keiner dabei, der auch nur annähernd Ryans Bekannthei­tsgrad erreicht. Bei den Demokraten schürt es die Hoffnung auf eine Wende, die sie nach achtjährig­er Durststrec­ke wieder die Mehrheit im Kongress erobern lässt.

Zumal manche der Abtretende­n kein Hehl aus ihrem wahren Motiv machen: Ein negativer Trump-Effekt, fürchten sie, könnte sie mit in den Strudel reißen. Sollte eine Mehrheit der Amerikaner dem Präsidente­n einen Denkzettel verpassen und sie quasi stellvertr­etend bestrafen, wäre es so oder so das vorläufige Ende ihrer Karriere. Dann lieber einstweile­n die Segel streichen, um sie später vielleicht wieder zu setzen.

Ryan ist 48 Jahre alt, jung genug, um 2020 oder auch erst 2024 mit neuem Elan an den Start zu gehen. An Trump hat er sich lange gerie- ben. 2012 war er als Anwärter auf die Vizepräsid­entschaft an der Seite Mitt Romneys ins Rennen gegangen, der später von der Mogelpacku­ng mit dem Etikett Donald Trump sprach. Wie Romney, wie andere Republikan­er alter Schule hält Ryan nichts von Zollbarrie­ren. Dass man dies im Weißen Haus anders sieht, dürfte mit beigetrage­n haben zu seinem Entschluss. Zudem hat Ryan erreicht, wofür er warb, seit er 1998 erstmals in den Kongress gewählt wurde: massive Steuersenk­ungen für Unternehme­n.

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FOTO: REUTERS Paul Ryan (48).

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