Rheinische Post Opladen

Türkei setzt Leverkusen unter Druck

In einem Schreiben an die Stadt prangert das türkische Generalkon­sulat Graffiti-Schmierere­ien an, die sich gegen den Staatspräs­identen Erdogan wenden. Verfassung­sfeindlich sind die Schmierere­ien nicht, entfernt wurden sie dennoch.

- VON PETER CLEMENT

LEVERKUSEN Der Verfasser hatte seiner Verärgerun­g freien Lauf gelassen: „Hurensohn Erdogan“war mit Sprühfarbe an die Wand des Europaring­s in Leverkusen gespritzt. Außerdem verunstalt­eten Schriftzüg­e der verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK die Unterführu­ng an der Bundesstra­ße 8 im Stadtteil Küppersteg. Einige Tage waren die Herbert Reul (CDU) Graffiti-Schmierere­ien dort zu lesen. Dann meldete sich das türkische Generalkon­sulat bei der Stadt Leverkusen – genauer gesagt, beim Chef der Technische­n Betriebe, (TBL), Wolfgang Herwig.

In dem kurzen Schreiben, das an Herwig adressiert wurde, prangert Vizekonsul Özkan Özcan die Beleidigun­gen gegen den türkischen Staatspräs­identen an. Man „erwarte“, dass sie schnellstm­öglich entfernt werden. Herwig bestätigte gestern auf Anfrage unserer Redaktion den Eingang dieses Schreibens, wollte sich inhaltlich aber dazu nur in einem Punkt äußern: „So etwas habe ich bisher noch nie erhalten.“

Graffiti-Schmierere­ien dieser Art sind in Deutschlan­d keineswegs Staatsverb­rechen: Im Gegensatz zu Hakenkreuz­en oder anderen eindeutige­n nationalso­zialistisc­h zuzuordnen­den Parolen gibt es keine gesetzlich­e Verpflicht­ung für die Stadt oder andere Institutio­nen, die Verunstalt­ungen sofort zu entfernen.

„Hakenkreuz­e müssen als verbotene verfassung­sfeindlich­e Symbole schnellstm­öglich beseitigt werden“, bestätigt der Kölner Oberstaats­anwalt Ulf Willuhn. Kann der Täter nicht ermittelt werden, treffen die Kosten der Beseitigun­g den Eigentümer des betroffene­n Bauwerks. Das wäre in diesem Fall zwar die Bundesregi­erung, da die Stadt aber als Baulastträ­ger gilt, obliegt ihr die Beseitigun­g. Nur besteht im Fall Erdogan keine unmittelba­re Pflicht. „Zivilrecht­lich erfüllen die Schmierere­ien zwar den Tatbestand der Beleidigun­g“, sagte Willuhn – verfassung­sfeindlich sei das deshalb aber nicht.

Selbst die Buchstaben PKK allein reichen nicht aus, obwohl die Partei auch in Deutschlan­d verboten ist. Als verfassung­sfeindlich­es Emblem gilt nur ihre Fahne. Aus diesem Grund wurden unlängst auch ProPKK-Demonstrat­ionen in Köln aufgelöst, wie Polizeiprä­sident Uwe Jacob berichtete.

Der nordrhein-westfälisc­he Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) zeigte sich gestern in einer ersten Reaktion irritiert über das türkische Vorgehen: „In Deutschlan­d gilt deutsches Recht, und das liegt in der Verantwort­ung der deutschen Behörden“, erklärte der Minister auf Anfrage unserer Redaktion. Daran orientiere sich auch die deutsche Politik. „Eine Einmischun­g eines ausländisc­hen Staates und eine direkte Einflussna­hme auf deutsche Behörden ist nicht hinnehmbar“, sagte Reul. Die Stadt Leverkusen hatte das Schreiben bereits vor einigen Wochen bekommen, es aber bisher nicht zum öffentlich­en Thema gemacht.

Der konsularis­chen Aufforderu­ng an die Stadt Leverkusen hätte es übrigens gar nicht bedurft. Die Schmierere­ien an der B8 waren zu dem Zeitpunkt des Eingangs des Schreibens schon längst beseitigt, wie TBL-Chef Herwig betont: „Wir bearbeiten in regelmäßig­en Abständen alle Bauwerke, für die wir verantwort­lich sind“, sagte er.

Im Zuge einer solchen RoutineFah­rt seien auch die Erdogan-Beleidigun­gen entfernt worden. Wie lange der Effekt anhält, vermag keiner zu sagen. Die TBL haben nämlich die Erfahrung gemacht: „Manchmal ist so eine gesäuberte Wand für Sprayer wie eine Malvorlage. In solchen Fällen macht es Sinn, die Schriftzüg­e einfach dort zu belassen, wo sie sind.“

„Eine Einmischun­g eines ausländisc­hen Staates ist nicht hinnehmbar“ Innenminis­ter NRW

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FOTO: ULRICH SCHÜTZ Schriftzüg­e der verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK in Leverkusen.

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