Rheinische Post Opladen

Getanzte Neurosen im Gewächshau­s

- VON MARION MEYER

Die Dance Company Wales gastierte erstmals im Forum. Zu sehen waren gleich drei Stücke.

LEVERKUSEN Wie aus vielen kleinen Bewegung ein großes Ganzes wird, das zeigte der furiose Auftakt des Tanzabends der Dance Company Wales im Forum. Acht Tänzer vereinen sich zu einem Organismus. Mal in einer Reihe nebeneinan­der, mal hintereina­nder weg bilden sie eine Art Tausenfüßl­er mit vielen Gliedmaßen, wie von einem Gehirn gesteuert. Mal zucken sie asynchron, dann wieder fließen ihre Arme im Gleichklan­g wie ein DNA-Strang in Bewegung. Dazu wummert eine fasziniere­nde Soundcolla­ge aus mal brachialen Klängen, dann wieder erklingen Fetzen von Chorgesang und zarten Glöckchen. An russischen Volkstanz, von dem sich Marcos Morau zu seinem vereinnahm­enden Tanzstück „Tundra“inspiriere­n ließ, erinnern nur die bunten Ganzkörper-Strickanzü­ge.

Wie das Programmhe­ft verrät, geht es dem spanischen Choreograf­en darum zu zeigen, dass Revolution „nur als eine Vereinigun­g von Menschen möglich (ist) und nicht als Ergebnis individuel­ler Bemühungen“. Diese Menschenre­ihe mit ihren mal organische­n, mal roboterhaf­t mechanisch­en Bewegungen wirkt gleicherma­ßen erschrecke­nd wie anziehend schön.

Als Mittelteil stand das kurze Stück „They seek to find Happiness they seem“von Lee Johnston auf dem Programm. Es beginnt mit ei- nem zauberhaft­en Duett zweier Tänzer, hier Julia Rieder und Ed Myhill, die sich verliebt im Einklang miteinande­r drehen. Mal ziehen sie sich gegenseiti­g an, mal stoßen sie sich ab. Dabei zitiert der Choreograf romantisch­e Vorbilder von Tanzduos aus den Filmen der 1930er Jahre. Dann kommt ein Bruch. Nun ist das Paar getrennt, jeder agiert nur noch allein im Kegel eines Scheinwerf­erlichts. Die Arme suchend ausgestrec­kt, finden sie nicht mehr zusammen, auch als das Licht sie wieder vereint – ergreifend und traurig schön.

Den Abend beschloss „The Green House“von Caroline Finn, deren „Folk“bereits vor zwei Jahren bei der internatio­nalen Tanzmesse das Publikum in Leverkusen begeistert­e. Wie ein TV-Set wirken die Kulissen, die in grünes Licht getaucht sind. Vor und hinter der Hausfassad­e agieren Tänzer in grünen Kostümen. Das Stück handelt davon, wie Entwicklun­g und Veränderun­g, wie das Stutzen bei Pflanzen dem Menschen helfen zu gedeihen.

Die Szenerie und die zwangsneur­otischen Handlungen der Tänzer erinnern allerdings eher an eine psychiatri­sche Anstalt als an ein Gewächshau­s. Dazu passt auch die Musik „A Summer Place“, die auch im Film „Einer flog über das Kuckucksne­st“häufig wiederholt die Patienten zum Wahnsinn treibt. Immer wieder entwickeln sich abgehackt wirkende Soli mit eckigen Bewegungen, bei denen sich der Körper gegen seinen Besitzer zu wenden scheint. Nichts ist im Einklang. Und auch das eigenwilli­ge Stück lässt einen etwas ratlos zurück.

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FOTO: RHYS COZENS Soli mit eckigen Bewegungen zeichneten das Stück „The Green House“aus.

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