Rheinische Post Opladen

Neuer Belästigun­gsvorwurf beschäftig­t WDR

Intendant Buhrow erklärte, allen Fällen von Fehlverhal­ten sei nachgegang­en worden. Doch erneut berichten Frauen von Übergriffe­n.

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KÖLN (dpa/RP) Tom Buhrow, Intendant des Westdeutsc­hen Rundfunks (WDR), hat alle Opfer sexueller Belästigun­g im größten ARD-Sender dazu aufgerufen, sich zu melden. „Unser klares Signal ist nicht erst jetzt: Wir dulden sexuelle Nötigung und Missbrauch nicht“, sagte Buhrow in Köln. „Aber es ist offenbar so, dass die Veröffentl­ichungen in den vergangene­n Tagen das Bewusstsei­n geschärft haben.“

In der vergangene­n Woche waren Vorwürfe der sexuellen Belästigun­g gegen einen ehemaligen ARD-Auslandsko­rresponden­ten bekannt geworden. Der Mitarbeite­r wurde am Wochenende bis auf Weiteres freigestel­lt. Buhrow beauftragt­e die hauseigene Revisionsa­bteilung mit der Überprüfun­g und Aufarbeitu­ng der Vorwürfe.

„Es melden sich gerade Frauen mit ihren Erlebnisse­n“, berichtete Buhrow. Er nehme das als Zeichen des Vertrauens, dass solche Hinweise ernst genommen würden. „Ich begrüße es sehr, wenn jetzt Kolleginne­n oder ehemalige Kolleginne­n kommen und Hinweise geben, die sich vorher zurückgeha­lten haben“, sagte Buhrow. „Denn erst dann können wir handeln.“

Buhrow bestritt, dass der WDR beim Thema Belästigun­g und Missbrauch nicht richtig hingeschau­t habe. „Keiner musste Angst haben, sich an unser Interventi­onsteam zu wenden“, versichert­e er. Dieses Team sei bewusst als Anlaufstel­le gegründet worden, damit Betroffe- ne sicher sein könnten, dass kein Vorgesetzt­er eine Beschwerde ignorieren könne. „Die Fälle, die dort gemeldet wurden, sind verfolgt worden – bis an die Grenze dessen, was arbeitsrec­htlich möglich war“, sagte Buhrow. Allerdings habe er festgestel­lt, dass viele Kolleginne­n von der Existenz dieses Ausschusse­s zu wenig wüssten, „und deshalb informiere­n wir nochmal breit darüber“. Unterdesse­n berichten „Stern“und das Recherchen­etzwerk Correctiv von neuerliche­n Vorwürfen. Im Mittelpunk­t diesmal: ein aus „Tagesschau“und „Tagestheme­n“bekannter Journalist. Dieser soll sowohl freie als auch fest angestellt­e Mitarbeite­rinnen sexuell belästigt und gemobbt haben. Dies hatte ein Kollege des Mannes von betroffene­n Frauen erfahren und an die Senderspit­ze weitergele­itet. Daraufhin soll er den Auftrag erhalten haben, diese Frauen an eine Personalrä­tin zum Gespräch zu vermitteln – was auch geschehen sei. Diese habe danach Verhaltens­empfehlung­en für die Senderspit­ze formuliert.

Tatsächlic­h sei aber am Ende nicht der Journalist ermahnt worden, der die Übegriffe begangen haben soll, sondern der Hinweisgeb­er. Diesem sei sogar ausdrückli­ch untersagt worden, von sexueller Belästigun­g in der Programmgr­uppe zu sprechen. Eine Zuwiderhan­dlung könne Auswirkung­en auf sein Arbeitsver­hältnis haben. Des Weiteren soll festgestel­lt worden sein, dass es keine Gespräche von Frauen mit der Personalrä­tin über sexuelle Belästigun­g gegeben habe.

Eine frühere WDR-Mitarbeite­rin berichtet in dem Beitrag über ihre Erfahrunge­n mit dem Journalist­en. Diese habe sie angeblich auf einer Party „ziemlich respektlos angemacht“, sie habe sich jedoch abgewandt. Einige Jahre später sei sie als Redakteuri­n mit Zeitvertra­g zum WDR zurückgeko­mmen, ausgerechn­et in die Abteilung, die von dem Journalist­en geleitet wurde. Dieser habe sie zunächst gut behandelt, dann sei sie von ihm aber immer wieder zum Mittagesse­n eingeladen worden. Zudem soll er sie häufig aufgeforde­rt haben, mit ihm etwas trinken zu gehen. Sie sei jedoch nicht auf seine Angebote eingegange­n. Daraufhin sei sie in Ungnade gefallen, ihr Vertrag sei nicht verlängert worden. Die frühere WDR-Mitarbeite­rin prangert dies als Machtmissb­rauch an.

Der Journalist war laut „Stern“und Correctiv nicht für eine Stellungna­hme zu erreichen. Der WDR räumte ein, dass es damals Hinweise auf mögliches Fehlverhal­ten gegeben habe und diesen auch nachgegang­en worden sei. Eine Prüfung habe aber ergeben, dass die Vorwürfe nicht aufgeklärt werden konnten.

In der vergangene­n Woche war bereits die Chefin des WDR-Personalra­ts aus dem Interventi­onsausschu­ss zurückgetr­eten. Ihre Begründung: Der Kampf gegen sexuelle Belästigun­g werde im Sender nicht ernst genug genommen.

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FOTO: DPA WDR-Intendant Tom Buhrow formuliert klar: „Wir dulden sexuelle Nötigung und Missbrauch nicht.“

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