Rheinische Post Opladen

Seehofer: Bundespoli­zei für Flüchtling­szentren

Innenpolit­iker streiten sich nach den Vorfällen in Ellwangen um die Konsequenz­en. Flüchtling­e hatten dort eine Abschiebun­g verhindert.

- VON K. BIALDIGA, G. MAYNTZ, E. QUADBECK UND T. REISENER

BERLIN Die Polizei hat mit Härte auf den Widerstand von 150 bis 200 Flüchtling­en im baden-württember­gischen Ellwangen reagiert, die die Abschiebun­g eines Mannes aus Togo mit Gewalt verhindert hatten. Gestern am frühen Morgen rückten Hunderte Polizisten und bewaffnete Spezialkrä­fte zu einer Razzia an. Der Fall löste bundesweit eine Debatte über die Durchsetzu­ngsfähigke­it des Rechtsstaa­ts aus.

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) kündigte als Konsequenz aus den Vorfällen von Ellwangen an, für die geplanten Asylzentre­n („Ankerzentr­en“) auch die Bundespoli­zei einzusetze­n. Sie soll den Schutz der Bewohner und der Bevölkerun­g garantiere­n. Ein erstes geplantes Asylzentru­m, in dem Flüchtling­e von der Registrier­ung bis zur Entscheidu­ng über ihren Fall bleiben sollen, will Seehofer noch vor September in Betrieb nehmen.

Der Innenminis­ter stellte sich gestern in Berlin „politisch voll hinter die Maßnahmen der badenwürtt­embergisch­en Sicherheit­sbehörden und der Polizei“. Seehofer sprach von einem „empörenden Sachverhal­t“. Den Widerstand der Flüchtling­e gegen die Staatsgewa­lt nannte er einen „Schlag ins Gesicht der rechtstreu­en Bevölkerun­g“. Er forderte, die Vorgänge von Ellwangen müssten „mit aller Härte und Konsequenz verfolgt“werden. „Das Gastrecht darf nicht so mit Füßen getreten werden“, sagte der CSUPolitik­er.

Bereits am Montagaben­d sollte ein 23-jähriger, aus dem westafrika­nischen Togo stammender Mann abgeschobe­n werden. Als die Polizei den Mann aus der Asylunterk­unft holte und ihm Handschell­en anlegte, bedrohten etwa 150 bis 200 überwiegen­d aus Afrika stammende Flüchtling­e die vier anwesenden Beamten und schlugen auf ihr Fahrzeug ein. Daraufhin gaben die Polizisten den Togoer wieder frei.

Der Vizepräsid­ent des Polizeiprä­sidiums Ellwangen verteidigt­e das defensive Vorgehen seiner Beamten. Die Polizisten hätten den Togoer zurücklass­en müssen, weil die Lage zu gefährlich und zu bedrohlich geworden sei.

Die Polizei in Baden-Württember­g erhielt Rückendeck­ung aus Bund und Ländern. „Ich begrüße es, dass die baden-württember­gische Polizei so konsequent auf die Vorfälle in Ellwangen reagiert hat“, sagte der nordrhein-westfälisc­he Innenminis­ter Herbert Reul (CDU). „Es darf in Deutschlan­d keine rechtsfrei­en Räume geben, sonst verlieren die Menschen das Vertrauen in unseren Rechtsstaa­t.“

SPD-Innenexper­te Burkhard Lischka wertete es als „wichtig, dass der Staat in solchen Situatione­n Stärke zeigt und sehr deutlich wird, dass er sich nicht auf der Nase herumtanze­n lässt“. Eine konsequent­e Bestrafung derjenigen, die Widerstand gegen Polizeibea­mte geleistet haben, verlangte der innenpolit­ische Sprecher der CDU/CSU-Bun- destagsfra­ktion, Mathias Middelberg: „Die Taten müssen auch Auswirkung auf die Asylverfah­ren dieser Personen haben“, sagte er. Der Fall Ellwangen zeige „exemplaris­ch, dass wir die Abschiebev­erfahren noch deutlich effiziente­r gestalten müssen“, so der Innenexper­te. Ähnlich äußerte sich NRW-Integratio­nsminister Joachim Stamp (FDP): „So ein Fall darf sich nicht wiederhole­n. Die Abschiebev­erfahren derjenigen, die Widerstand gegen die Polizei geleistet haben, müssen jetzt beschleuni­gt werden.“

Bei der Razzia am Morgen konnte der 23-jährige Togoer schließlic­h gefasst und in Abschiebeh­aft genommen werden. Fünf Bewohner griff die Polizei auf, die unter dem Verdacht stehen, Drogendeli­kte oder Diebstähle begangen zu haben. Weitere 17 Bewohner sollen in andere Unterkünft­e verlegt werden, um den Zusammensc­hluss gewaltbere­iter Gruppen zu verhindern. Erneut Widerstand gegen die Polizei leisteten 27 Personen – gegen sie werden strafrecht­liche Konsequenz­en geprüft.

Die Flüchtling­sunterkunf­t in Ellwangen hat schon mehrfach Schlagzeil­en gemacht. So kam es unter anderem 2016 zu Auseinande­rsetzungen zwischen Flüchtling­en. Vor dem Hintergrun­d der Ereignisse in Ellwangen meldete die Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Irene Mihalic Bedenken gegen die geplanten Asylzentre­n des Bundes an. „Der Vorfall zeigt schon, dass die Unterbring­ung von Geflüchtet­en in großen Sammelunte­rkünften problemati­sch ist“, sagte Mihalic. Sie forderte Seehofer auf, die geplanten Zentren „noch einmal grundlegen­d“infrage zu stellen.

Im Kreis der Länder hat Seehofer für seine Zentren noch keine große Unterstütz­ung. Während es aus dem Innenminis­terium hieß, Hessen und NRW hätten sich als Standorte gemeldet, stellte die NRW-Regierung umgehend klar, dass die Bereitscha­ft von der Konkretisi­erung der Pläne abhänge.

Newspapers in German

Newspapers from Germany